Zürich (awp) - Der Rückversicherer Swiss Re veröffentlicht am Freitag, 30. April, die Resultate zum ersten Quartal 2021. Insgesamt haben sieben Analysten zum AWP-Konsens beigetragen.

Q1 2021E
(in Mio USD)               AWP-Konsens     Q1 2020A   

Verdiente Nettoprämien         9621          9586
Reinergebnis                  -65,0        -225,0

(in %)

Combined Ratio P&C            107,4         110,8 
Combined Ration CorSo         106,8         125,8

FOKUS: Die Swiss Re dürfte im 1. Quartal überdurchschnittlich hohe Grossschäden aus Naturereignissen und der Coronapandemie zu schultern haben. Kostspielig werden dürften dabei insbesondere der US-Wintersturm Uri, der sich im Grossraum Texas ereignete, sowie die Überschwemmungen in Australien in der Nähe von Sydney. Alleine der Wintersturm dürfte für Swiss Re Belastungen von mehreren hundert Millionen Dollar bringen, schätzt die ZKB. Die Überschwemmungen in Australien dürften etwas weniger kostspielig sein. Die Nichtlebensversicherung (P&C) werde zudem von coronabedingten Absagen von Grossveranstaltungen und Geschäftsunterbrüchen belastet.

Interessant ist in diesem Zusammenhang ein höchstrichterliches Urteil zu Corona-Entschädigungen für kleine und mittelgrosse Firmen in Grossbritannien. Der Supreme Court in London hatte im Januar in einem Musterverfahren entschieden, dass den Betreibern von Bars, Nachtclubs, Schönheitssalons und anderen Firmen Geld aus ihrer Betriebsunterbrechungs-Versicherung zusteht, weil sie wegen der Corona-Pandemie zeitweise schliessen mussten. Auf 60 Versicherer kommen damit nun Milliardenforderungen zu, die sie zumindest zum Teil auf ihre Rückversicherer abwälzen wollen.

Umfangreiche Geschäftsaufwendungen sind zudem für die Lebensrückversicherung (L&H Re) zu erwarten. Dort schlägt die hohe Übersterblichkeit in den USA als Folge der Pandemie zu Buche. Ebenfalls interessiert, wie weit der Turnaround des Erstversicherungsgeschäfts von Firmenkunden (Corso) vorangekommen ist. Ebenfalls im Fokus werden die Ergebnisse der April-Erneuerungsrunde stehen, insbesondere die Volumen. Die Swiss Re hatte in der Januar-Runde die Volumen um 11 Prozent zurückgefahren. Für den April rechnen Analysten wie bereits im Januar mit steigenden Preisen.

ZIELE: Die Swiss Re misst ihre Leistung anhand 2016 gesetzter Ziele. Sie will über den Versicherungszyklus mit der Eigenkapitalrendite den risikofreien Zinssatz zehnjähriger US-Staatsanleihen um mindestens 700 Basispunkte übertreffen und das ökonomische Eigenkapital je Aktie jährlich um 10 Prozent steigern.

In der grössten Sparte Sach-Rückversicherung (P&C Re) zielt der Konzern auf einen normalisierten Schaden-Kosten-Satz von unter 95 Prozent ab unter der Annahme einer durchschnittlichen Belastung durch grosse Naturkatastrophenschäden und ohne Berücksichtigung der Entwicklung der Rückstellungen aus Vorjahren sowie der Auswirkungen von Corona. In der sich im Umbau befindenden Sparte Corporate Solutions (Corso) soll die normalisierte Kennzahl auf unter 97 Prozent gebracht werden. Entscheidend bleibt allerdings letztendlich die Häufung und die Kosten möglicher Naturkatastrophen und anderer Grossereignisse.

Mit Blick auf das laufende Jahr rechnet die Swiss Re mit weiteren Aufwendungen für die Pandemie. Die Rückstellungen im Sachgeschäft dürften unter einer halben Milliarde bleiben, während im Lebenbereich viel von den Sterberaten in den USA abhängt, wo die Mortalitätsrisiken für die Swiss Re am grössten sind. Nach dem Verlust im 2020 will die Swiss Re im laufenden Jahr wieder in die Gewinnzone zurückkehren.

PRO MEMORIA: Die Swiss Re will die Zukunft des Autofahrens mitgestalten. Um die Fahrerassistenzsysteme weiterzuentwickeln, geht das Unternehmen eine Technologie-Partnerschaft mit der an schwedischen Veoneer ein, einem Entwickler von Fahrzeugtechnologien. Die Swiss Re will die Kräfte mit Veoneer zur Evaluierung von ADAS-Systemen (Advanced Driver Assistance Systems) bündeln. Das Knowhow von Veoneer bei Hardware- und Software-Technologien soll dabei in das ADAS-Risk-Score-System von Swiss Re einfliessen.

Mitte April hat die Swiss Re einen neuen Verwaltungsratspräsidenten erhalten. Der ehemalige UBS-Chef Sergio Ermotti löste an der Generalversammlung wie geplant Walter Kielholz an der Spitze des Aufsichtsgremiums ab. Kielholz war seit 1998 Mitglied des Aufsichtsgremiums und wurde 2009 als Präsident gewählt. Er wurde in Anerkennung seiner Verdienste zum Ehrenpräsidenten ernannt.

Kielholz rechnet in der Versicherungsbranche mit Nachwehen aus der Corona-Pandemie, wie er kurz vor seinem Abgang in einem Interview sagte: Überrascht habe, dass das Hauptrisiko nicht aus der Pandemie selbst gekommen sei, sondern aus den behördlichen Reaktionen darauf, also aus den Betriebsunterbrechungen. "Das hatten wir vorher nicht richtig verstanden - und mussten dafür teuer bezahlen." Dafür, dass Veranstalter von Grossereignissen jetzt keine Ausfallversicherung mehr im Markt fänden, gebe es im Moment noch keine Lösung. "Der Klimawandel verändert das Risikoprofil in unserer Branche vermutlich am stärksten. Nicht zu unterschätzen ist auch das Feld Cyberattacken. Dort schlummern kriegsähnliche Risiken."

Die Swiss Re und Daimler übertrugen auf Anfang April die Leitung des gemeinsam gegründeten Online-Motorfahrzeugversicherers Movinx an Carolin Gabor. Die Swiss Re und Daimler Insurance Services hatten Movinx vergangenen Herbst gegründet und besitzen je die Hälfte der Gesellschaft. Movinx plant, die ersten Produkte und Dienstleistungen in diesem Jahr in Frankreich anzubieten.

Die Swiss Re wies Mitte März auf Basis des firmeneigenen Bewertungssystems Economic Value Management (EVM) für 2020 einen Verlust aus. Grund ist in erster Linie die Coronapandemie. Der risikobereinigte EVM-Verlust betrug 3,6 Milliarden US-Dollar nach einem Minus im Vorjahr in Höhe von 19 Millionen. Auf der Einkommensstufe verzeichnete die Swiss Re einen negativen EVM-Betrag von -434 Millionen US-Dollar nach einem positiven EVM-Einkommen von 2,9 Milliarden im Vorjahr. Das Ergebnis wurde vor allem auf coronabedingte Schäden und Rückstellungen in Höhe von 4,6 Milliarden US-Dollar beeinflusst, welche sowohl die Auswirkungen für 2020 als auch vorausschauende Schätzungen für 2021 beinhalten. Gemessen am Swiss Solvency Test (SST) hat die Swiss Re eine starke Kapitalausstattung. Die SST-Quote liegt mit 215 Prozent innerhalb der neuen Zielspanne von 200 bis 250 Prozent.

Mitte März hat die Swiss Re Cathy Desquesses per 1. Juli zur Personalchefin der Gruppe ernannt. Sie tritt die Nachfolge von Nigel Fretwell an, der in den Ruhestand geht.

Die Swiss Re hat sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt. Um diese zu erreichen will die Gruppe in einem nächsten Schritt vollständig auf Kapitalanlagen mit Bezug zu thermischer Kohle verzichten. Konkret hat sich die Swiss Re bis 2025 für das eigene Anlageportfolio eine 35-prozentige CO2-Reduktion auf die Fahne geschrieben. Es werden zusätzliche Massnahmen für das Asset Management, das Underwriting und den eigenen Betrieb lanciert. Im Zentrum steht der vollständige Ausstieg aus kohlebasierten Kapitalanlagen bis im Jahr 2030.

Am 9. März hat die Rating-Agentur Moody's das versicherungstechnische Finanzstärke- und Schuldenrating (IFS & Senior Debt) für die Swiss Re bzw. die Hauptrückversicherungstochter Swiss Reinsurance Company Ltd. (SRZ) mit "Aa3" und Ausblick "stabil" bestätigt.

Anfang März ist die Swiss Re eine strategische Partnerschaft mit einem Anbieter von radargestützter Hochwasserüberwachung eingegangen. Die Kooperation mit ICEYE soll das Risikowissen von Swiss Re mit den Daten des Radarsatellitenbetreibers kombinieren, um Hochwasserrisiken besser einzuschätzen. Die Zusammenarbeit soll sich vorerst auf Überschwemmungsrisiken beschränken und zukünftig auch andere Gefahren wie Waldbrände, Wind- und Erdbebenschäden beinhalten.

AKTIENKURS: Die Swiss Re-Aktie ist im März bis auf fast 95 Franken angestiegen und dann im April mit dem Dividendenabgang mit aktuell 82,62 Franken wieder unter den Stand von Jahresbeginn gefallen (83,34 Franken).

an/jb