Bern (awp) - Die Kabelnetzbranche steht vor einem Geschwindigkeitsschub. Mit der neuen Technologie Docsis 4.0 werden Surfgeschwindigkeiten beim Herunterladen von bis zu 10 Gigabit pro Sekunde (Gbit/s) möglich. Das ist doppelt so schnell wie heute.

Beim Hochladen von Inhalten vervierfache sich gar das Spitzentempo auf bis zu 6 Gbit/s, teilte der Branchenverband Suissedigital am Donnerstag in einem Communiqué mit. Mit der bisherigen Technologie Docsis 3.1 ist beim Hochladen bei 1 bis 2 Gibt/s Schluss, wie eine Aufstellung von Cablelabs, dem internationalen Forschungs- und Entwicklungslabor für die Kabelnetzindustrie, zeigt.

Cablelabs hat vor drei Wochen die Spezifikationen für die neue Technologie Docsis 4.0 festgelegt. Diese bringe gegenüber der aktuellen Docsis 3.1 noch weitere Vorteile. So ermögliche Full Duplex mehrere Übertragungen im gleichen Frequenzspektrum, was schnelleres Hochladen und symmetrische Bandbreiten im Herunter- und Hochladens erlaube.

Gleichzug mit Glasfasernetzen

Dieser neue Übertragungsstandard "ist ein wichtiger Entwicklungsschritt, der das enorme Potenzial der Kabelnetztechnologie zeigt", erklärte Reto Zumoberhaus, der Leiter Strategie & Inhaltsmanagement bei Suissedigital.

Mit der neuen Surfgeschwindigkeit von 10 Gbit/s würde die Kabelnetzbranche zu den Glasfasernetzen aufschliessen. Salt hatte als erste Anbieterin in der Schweiz bereits im März 2018 das Spitzentempo von 10 Gbit/s auf Glasfasern eingeführt. Die Swisscom erhöht seit letzten Monat sukzessive ihr Spitzentempo von 1 auf ebenfalls 10 Gbit/s. Bis Ende 2025 sollen so 50 bis 60 Prozent aller Haushalte und Geschäfte eine Surfgeschwindigkeit von bis zu 10 Gigabit pro Sekunde (Gbit/s) erhalten.

In diesem Kielwasser plant auch Sunrise, das keine eigenen Glasfasernetze besitzt, die Internetgeschwindigkeit für Glasfaserkunden in der zweiten Jahreshälfte auf 10 Gbit/s zu erhöhen. "Die Einzelheiten werden zum gegebenen Zeitpunkt bekannt gegeben", sagte Sprecher Rolf Ziebold.

Aufrüstung kostet viel Geld

Allerdings ist auch die bisherige Kabelnetztechnologie Docsis 3.1 in der Schweiz noch nicht alt und noch nicht flächendeckend eingeführt. Erst im vergangenen Herbst haben die Kabelnetzbetreiber UPC und Quickline den Speed auf 1 Gbit/s erhöht. Möglich wären laut Cablelabs bis zu 5 Gbit/s.

Bei UPC basiere derzeit ein Viertel der Gesamtkapazität im Netz auf Docsis 3.1 und noch drei Viertel auf dem Vorgängerstandard Docsis 3.0, sagte ein UPC-Sprecher. "Für Docsis 3.1 müssen wir sämtliche Modems austauschen, das passiert in einem gewissen Rhythmus. Man hat nicht von Angang an alle Modems ausgetauscht."

"Wann Docsis 4.0-Produkte in der Schweiz verfügbar sein werden, ist offen", schrieb Suissedigital. Der Einsatz von Docsis 4.0 hänge von der Verfügbarkeit der Geräte ab, erklärte der UPC-Sprecher. Eine Aufrüstung auf die neue Technologie würde einen UPC höheren dreistelligen Millionenbetrag kosten.

Kommt Docsis 4.0 überhaupt?

Es sei aber noch unsicher, ob Docsis 4.0 überhaupt eingeführt werde, sagte Quickline-Chef Frédéric Goetschmann im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP. Denn die Kabelnetztechnologie sei störungsanfällig. Der Betriebsaufwand sei vier Mal höher als bei Glasfasernetzen.

Deshalb stelle sich die Frage, ob die Kabelnetzunternehmen nicht direkt auf Glasfasern umsteigen sollten, sagte Goetschmann. Eine Reihe von lokalen Kabelanbietern ziehe schon überall dort Glasfasern, wo es etwas zu bauen gebe.

Glasfasern sind bereits ein Bestandteil der bisherigen Kabelnetze. Oft werden sie von der Zentrale bis zu den Knotenpunkten in den Quartieren gelegt. Von dort aus führen dann die Koaxialkabelnetze bis in die Häuser und Wohnungen.

Bei UPC nimmt die Nachfrage nach der Spitzengeschwindigkeit zu. "Aktuell surfen rund 10 Prozent unserer bestehenden Internetkunden mit dem Maximalspeed von 1 Gigabit pro Sekunde, aber über 50 Prozent mit einer Leistung die höher als 300 Megabit pro Sekunde liegt", sagte der Sprecher: "Interessant ist indessen vor allem die Entwicklung, wonach 46,8 Prozent unserer Neukunden, die wir 2020 gewinnen konnten, sich für einen Gigabit-Anschluss entschieden haben."

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