Glasfaserausbau
Regulierung: Eigentor im Netzausbau?
Als Folge der jüngsten Entscheide der Wettbewerbskommission (Weko) und des Bundesverwaltungsgerichts (BVG) gerät der Glasfaserausbau (FTTH) in der Schweiz ins Stocken. Laut Urs Schaeppi, CEO von Swisscom, hat dies weitreichende Folgen für die künftige ICT-Infrastruktur der Schweiz, vor allem auf dem Land.
Sepp Huber, Leiter Media Relations
04. November 2021
Herr Schaeppi, das BVG hat vorsorgliche Massnahmen der Weko gegen Swisscom bestätigt. Was bedeutet dies?

Urs Schaeppi: Kurzfristig dürfen wir nur noch Netzelemente bauen, die der Punkt-zu-Punkt-Netzarchitektur (P2P) entsprechen. Diese ist aufwendiger, weil jeder Kunde über eine eigene Faser bis zu unserer Zentrale angeschlossen wird. Bildlich gesprochen: Das BVG fordert von Swisscom den Bau einer vierspurigen Autobahn in jede Ortschaft.

P2MP ermöglicht einen raschen und effizienteren Ausbau und damit Netze, die auch in abgelegenen Regionen wirtschaftlich gebaut und betrieben werden können.
Was bedeutet dies für die Kunden?

Wir dürfen unsere neuen Anschlüsse nach der heute weltweit üblichen und sehr effizienten Netzarchitektur Punkt-zu-Multipunkt (P2MP) nicht mehr vermarkten. Der Entscheid treibt seltsame Blüten und führt sogar dazu, dass wir neu gebaute Häuser teils mit Kupferkabeln erschliessen müssen. Das macht keinen Sinn.

Laut BVG hat sich die Branche an einem Runden Tisch 2008 bis 2012 quasi auf einen landesweiten P2P-Standard geeinigt.

Damals standen wir am Anfang des FTTH-Ausbaus in den grossen Städten und es galt, Mehrfachbauten verschiedener Partner wie Elektrizitätswerke und Swisscom zu vermeiden. Für die Glasfaser-Erschliessung der Häuser einigten wir uns auf das Vierfasermodell, damit Kunden sehr einfach den Anbieter wechseln können. Swisscom baut aktuell und auch künftig vier Fasern vom Schacht im Quartier bis in die Wohnung, das ist unbestritten.

Es wurde aber nie entschieden, dass es auch von unserer Zentrale zum Schacht im Quartier vier Fasern pro Nutzungseinheit braucht. Für den weiteren Ausbau in den ländlichen Gebieten und kleineren Städten braucht es eine schnelle, innovative und kostengünstigere Methode, zumal Swisscom hier meist ohne Partner ausbaut.

Muss Swisscom im Vergleich zu anderen Ländern einen Rückstand aufholen?

Nein, im Gegenteil, wir liegen im Vergleich bei Ultrabreitband weit vorne. Die grossen Städte und Agglomerationen sind heute weitgehend mit rund 1,5 Mio. FTTH-Anschlüssen über P2P erschlossen und landesweit sind 90% der Kundinnen und Kunden bereits mit Ultrabreitband (mind. 80 Mbit/s) erschlossen. Doch die Dynamik ist ungebremst: Um das Internet-Tempo weiter zu erhöhen, haben wir uns zum Ziel gesetzt, bis 2025 weitere 1,5 Mio. FTTH-Anschlüsse insbesondere auch in kleineren Städten und ländlichen Gebieten zu bauen.

Wie erreicht Swisscom dieses Ziel?

Wenn wir alleine und in weniger dicht besiedelten Gebieten bauen, so setzen wir auf die viel besser geeignete P2MP-Technik. So können in der gleichen Zeit viel mehr Kundinnen und Kunden von noch schnellerem Internet profitieren. Eine Verzögerung und ein Wechsel auf P2P ist weder im Interesse der Kunden, die rasch sehr schnelles Internet wollen, noch der Schweiz. Der Netzausbau droht sich nun massiv zu verzögern, da die Weko und das BVG die Partikularinteressen von Anbietern ohne eigene Netze stärker gewichten als die Investitionsanreize in der Branche und die Interessen der Kunden.

Und wenn Swisscom konsequent P2P bauen müsste?

Müssten wir überall mit P2P bauen, so wären viel mehr Tiefbauarbeiten nötig. Dies bedeutet Verzögerungen, Baubewilligungen einfordern und Strassen aufreissen, um die Kabelkanäle zu vergrössern. In den Städten sind die Kanäle meist gross genug für genügend Fasern von der Zentrale bis zum Kabelschacht, nicht aber auf dem Land. Dank P2MP können wir Netze bauen, die auch in abgelegenen Regionen wirtschaftlich gebaut und betrieben werden können. Wird uns P2P vorgeschrieben, so gerät der Glasfaserausbau ins Stocken und ländliche Regionen geraten ins Hintertreffen.

Ist nicht P2P die Zukunftstechnologie?

Nein, im Gegenteil. P2MP hat sich international in den letzten Jahren durchgesetzt. Nur in der Schweiz wird das Modell kritisiert, was wir nicht verstehen können. Die globale Telekom-Branche setzt auf P2MP, somit wird viel in Innovationen investiert. P2MP ist die Technologie mit der höchsten Dynamik. Wir bieten über P2MP Geschwindigkeiten von 10 Gbit/s. Das bieten nur wenige andere Länder. Für die Kunden ist ohnehin nicht die Technologie matchentscheidend, sondern die Leistung, die sie dafür bekommen.

Kleinere Anbieter ohne eigenes Netz monieren, sie würden mit P2MP aus dem Markt gedrängt.

Alle Mitbewerber können unsere Netze - auch die neugebauten P2MP-Glasfasernetze - mit der vollen Bandbreite nutzen und ihre eigenen Angebote über den sogenannten Layer-3-Zugang gestalten. Viele Mitbewerber erzielen damit einen grossen Erfolg. Andere Netzbetreiber wie die Kabelnetze, die selber 83% der Haushalte abdecken, bieten ihren Mitbewerbern keinen Netzzugang. Die Regulierung ist damit in einem weiteren Punkt nicht nachvollziehbar: Uns werden einseitig teure Bauvorschriften auferlegt, die konkurrierenden und fast flächendeckend agierenden Mitbewerber wie die Kabelanbieter sind hingegen völlig frei in ihren Aktivitäten.

Sie haben mit Salt eine Partnerschaft für einen direkten Zugang auf ihr P2MP-Netz geschlossen.

Hier zeigt sich ein weiterer Widerspruch des BVG: Diese Kooperation fördert den Wettbewerb, die Kunden profitieren von zusätzlichen Angeboten - diese Partnerschaft ist aber aktuell blockiert durch das Urteil.

Waren die Interventionen der Regulierer denn nicht voraussehbar?

Nein, denn das nationale Parlament hat vor wenigen Jahren ja genau die jetzt aufgeworfenen Themen bei der Revision des Fernmeldegesetzes debattiert und sich explizit entschieden, auf den Infrastrukturwettbewerb zu setzen und auf eine Regulierung der Glasfaser zu verzichten. Dieser Wettbewerb fördert die Investitionen und Innovationen. Jetzt passiert das Gegenteil: Es wird reguliert und damit sinken die Anreize. Damit droht ein regulatorisches Eigentor.

Wie geht es jetzt weiter?

Wir brauchen möglichst rasch Klarheit, damit wir beim Netzausbau wieder Vollgas geben können. Es darf nicht sein, dass die Schweiz aufgrund von unsicheren Rahmenbedingungen im internationalen Vergleich in Rückstand gerät.

Der Wettbewerb verschiedener Infrastrukturen und Technologien führt zu einer hohen Breitband-Nutzung in der Schweiz.
Die Schweiz belegt international einen Spitzenplatz in der Breitband-Abbdeckung. Der Bedarf an Ultrabreitband ist jedoch ungebremst.
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