(Aktualisierte Fassung)

BERLIN/WASHINGTON (dpa-AFX) - Die Reform betrifft Millionen Hauseigentümer und Mieter - und es geht um Milliardeneinnahmen für die Kommunen: Der Bundestag hat am Freitag nach langem Ringen mit den Ländern Neuregelungen bei der Grundsteuer verabschiedet. Das Parlament stimmte außerdem einer Änderung des Grundgesetzes zu, damit Länder eigene Regelungen entwickeln können. Der Bundesrat muss der Grundsteuer-Reform noch zustimmen, dies gilt aber als sicher. Die Länderkammer soll am 8. November darüber entscheiden.

Die Grundsteuer muss bis Jahresende reformiert sein, weil das Bundesverfassungsgericht veraltete Bewertungsgrundlagen moniert hatte. Das Gericht hat aber eine Übergangsphase von fünf Jahren eingeräumt. Die Grundsteuer soll ab 2025 nach neuen Regeln erhoben werden.

Gezahlt wird die Grundsteuer von allen Hauseigentümern - und auch von den Mietern, denn sie kann über die Nebenkosten umgelegt werden. Ob Hauseigentümer und Mieter künftig mehr oder weniger Grundsteuer zahlen müssen, wird durch die Reform nicht entschieden. Denn das letzte Wort haben dazu die Kommunen, die individuelle Hebesätze festlegen. Diese sind sehr unterschiedlich. Die Grundsteuer ist mit mehr als 14 Milliarden Euro pro Jahr eine der größten Einnahmequellen der Kommunen.

Das vom Bundestag verabschiedete Bundes-Modell im Wesentlichen nach Plänen von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sieht vor, dass der Wert des Bodens und die durchschnittliche Miete bei der Grundsteuer-Berechnung eine maßgebliche Rolle spielen. Gegen dieses sogenannte wertabhängige Modell aber gibt es Widerstand vor allem aus Bayern. Vor allem auf Druck der CSU gibt es nun eine Länder-Öffnungsklausel. Bayern zum Beispiel will in einem Flächenmodell die Größe des Grundstücks zur Berechnung heranziehen.

Scholz sagte erneut zu, dass mit der Reform der Grundsteuer "keine substanzielle Steuererhöhung" verbunden sein soll. Ziel sei, die Einnahmen der Kommunen zu sichern - aber keine Mehreinnahmen zu erzeugen, sagte Scholz auf der Herbsttagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank in Washington. "Das wird auch gelingen", versprach er.

Für die Änderung des Grundgesetzes stimmten 495 Abgeordnete, dagegen 139, es gab 10 Enthaltungen. Damit wurde die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht. FDP und Grüne hatten angekündigt, der Grundgesetz-Änderung zuzustimmen.

Zuvor hatte die FDP mit einer Blockade gedroht. Hintergrund sind Auswirkungen der Reform auf den Länderfinanzausgleich, über den ärmere Bundesländer Geld von reicheren bekommen. Die FDP befürchtete, dass viele Länder doppelt rechnen müssen - und Grundstückseigentümer womöglich zwei Steuererklärungen abgeben müssen. Das wird nun im Gesetz ausgeschlossen.

Der Deutsche Städtetag begrüßte die Einigung auf eine Reform der Grundsteuer. Wie Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der dpa sagte, bekennen sich die Städte ausdrücklich zu einer aufkommensneutralen Reform. "Dafür werden die Städte ihre örtlichen Hebesätze rechtzeitig anpassen."

Der Deutsche Mieterbund forderte, die Grundsteuer aus dem Katalog der Betriebskosten zu streichen, damit sie nicht länger von Mietern bezahlt werden muss. Mieter müssen die Grundsteuer und andere Betriebskosten zahlen, wenn dies im Mietvertrag vereinbart wurde. In praktisch allen Mietverträgen gibt es laut Mieterbund entsprechende Vereinbarungen. Nach dem Betriebskostenspiegel mache die Grundsteuer im Durchschnitt knapp 20 Cent pro Quadratmeter und Monat aus.

Zur Neuregelung der Grundsteuer gibt es auch verfassungsrechtliche Bedenken. Es sei bedauerlich, dass Zweifel von der Koalition bislang ignoriert worden seien, sagte der FDP-Politiker Markus Herbrand unter Verweis auf eine Analyse des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags. Dabei geht es um Bewertungsfragen. Vor diesem Hintergrund sei die die Länder-Öffnungsklausel umso wichtiger.

Kritik an der Grundsteuer-Reform kam von Spitzenverbänden der Wirtschaft: Der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes BDI, Joachim Lang, kritisierte, die Neuregelung bleibe hinter den Erwartungen zurück und sorge für mehr Bürokratie. DIHK-Präsident Eric Schweitzer sagte: "Die Reform der Grundsteuer ist aus Sicht der Unternehmen nicht der erhoffte große Wurf." Betriebe müssten nun ihre Immobilien sehr aufwendig bewerten - das gelte zumindest für das Bundesmodell. Eine einfache Alternative sei das "bürokratiearme" Flächenmodell./rm/DP/stw