GÖPPINGEN (dpa-AFX) - Der Softwareanbieter Teamviewer möchte hoch hinaus. Nach kräftiger Sonderkonjunktur durch die Corona-Pandemie investiert der Konzern aus dem MDax viel Geld in weiteres Wachstum. Die Anleger haben darauf zuletzt überwiegend skeptisch reagiert. Denn der Preis ist hoch: Üppige Werbedeals lasten bereits auf der Bilanz. Zudem boomen die Geschäfte nicht mehr so stark wie zu Beginn der Pandemie. Was bei Teamviewer los ist, wie die Aktie reagiert und was Analysten dazu sagen.

DAS IST LOS IM UNTERNEHMEN:

Mit seiner Software für die Fernwartung von Computern und Maschinen sowie Anwendungen für Videokonferenzen ist Teamviewer zum eindeutigen Corona-Gewinner geworden. Das schwäbische Unternehmen hat stark von der Sondernachfrage zu Zeiten von Lockdowns profitiert. Dieser Schwung ebbt mittlerweile aber ab. Nach einem schwachen zweiten Quartal hatte Teamviewer zuletzt die Erwartungen an 2021 gedämpft.

Bei den Billings, einer Kennzahl für die in Rechnung gestellten Umsätze der kommenden zwölf Monate, und auch beim Umsatz selbst wird nur noch das untere Ende der zuvor in Aussicht gestellten Spannen erwartet. Die Zahl der Abonnenten ist zwar weiter nach oben geklettert und neue Corona-Kunden konnten größtenteils gehalten werden. Das Volumen der Vertragsverlängerungen in April und Mai fiel aber niedriger aus als vorher gedacht.

Obendrauf hat Teamviewer im abgelaufenen Quartal unter dem Strich nur noch halb so viel verdient wie ein Jahr zuvor. Der Grund sind steigende Kosten, vor allem für Marketing. Teamviewer zahlt hohe Summen, um als neuer Trikotsponsor des Fußballvereins Manchester United aufzutreten. Dazu kommt ein kostspieliger Sponsorenvertrag rund um das Formel-1-Team von Mercedes. Die Ausgaben für die Sponsorings dürften in den kommenden Jahren sogar noch steigen.

Teamviewer rechtfertigt die teure Werbe-Offensive mit einem Blick auf die Wettbewerber. Gemessen am in Rechnung gestellten Umsatz gebe das Unternehmen weiter weniger für Marketing aus als die direkte Konkurrenz. Vor allem ab 2025 sollen sich die Werbeverträge dann auch auszahlen. Teamviewer erhofft sich ein zusätzliches Potenzial von zunächst 150 Millionen Euro Geschäft jährlich. Bis dahin droht aber erst einmal eine zähe Wartezeit für die Aktionäre.

Mit Blick auf das Geschäft hat das Management rund um Teamviewer-Chef Oliver Steil aber Mut fürs zweite Halbjahr gemacht. Im dritten und vierten Quartal könne mit mehr Wachstumsschwung gerechnet werden. Nicht zuletzt, weil die Vergleichswerte im Vorjahreszeitraum nicht ganz so hoch liegen wie rund um den Ausbruch der Pandemie im ersten Halbjahr 2020.

Außerdem verstärkt sich Teamviewer weiter im Bereich mit Augmented-Reality-Software. Das sind Programme, die zum Beispiel Wartungstechnikern auf Datenbrillen nötige Schaltpläne und andere Informationen liefern können. Teamviewer will damit vor allem bei lukrativen Firmenkunden mit großen Verträgen punkten. Mit der Übernahme der Bremer Firma Ubimax sowie der beiden US-Unternehmen Upskill und Viscopic ist Teamviewer in den vergangenen Monaten auf Shoppingtour gegangen und hat sich im Bereich AR umso besser aufgestellt.

Dazu passt eine im Juni geschlossene strategische Partnerschaft mit Software-Gigant SAP aus dem Dax. Teamviewer wird in das SAP-Angebot integriert und zusätzlich Teil des Partnerprogramms von SAP. Damit dürfte sich Teamviewer viele potenzielle Neukunden erschließen. Einer der ersten gemeinsamen Anwendungsfälle werde die Augmented-Reality-basierte Unterstützung von Wartungs- und Reparaturprozessen bei SAP-Kunden in den Bereichen Maschinenbau und Komponentenfertigung sein, hieß es damals.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Teamviewer wagte sich im September 2019 aufs Parkett, feiert also bald das zweijährige Börsenjubiläum. Aktionäre, welche die Aktie seit dem ersten Tag halten, haben ein kräftiges Auf und Ab erlebt. Aktuell hat sich ein Investment nur begrenzt ausgezahlt: Vor zwei Jahren wurde die Aktie zu 26,25 Euro ausgegeben, derzeit ist sie mit 28,75 Euro nur etwas mehr wert.

Dabei lieferte die Pandemie erst einmal mächtig Rückenwind. Der Corona-Schub katapultierte die Aktie im Sommer 2020 auf ein Rekordhoch bei knapp unter 55 Euro. Auch Anfang 2021 schaffte es das Papier noch auf ein Jahreshoch bei 49,64 Euro. Von diesem Niveau aus hat Teamviewer mittlerweile mehr als 40 Prozent an Wert verloren.

Die Skepsis bezüglich einer positiven Wirkung der hohen Werbeausgaben und die enttäuschenden Zahlen zum zweiten Quartal drückten die Aktie Anfang August sogar kurzzeitig wieder unter den Ausgabepreis. Zuletzt erholte sie sich aber ein Stück weit und rang mit der vielbeachteten 21-Tage-Linie. Dieser Duchschnitt signalisiert charttechnisch interessierten Anlegern den kurzfristigen Trend.

Für den Finanzinvestor Permira ist die bisherige Börsengeschichte dennoch ein großer Erfolg. Permira hatte das Unternehmen Jahre zuvor für 870 Millionen Euro gekauft. Teamviewer ist an der Börse aktuell mehr als 5,5 Milliarden Euro wert. Der Investor hatte in der Vergangenheit immer wieder Anteile zu Geld gemacht und hält momentan noch rund 20 Prozent an Teamviewer.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Ähnlich wie die Anleger zeigten sich auch die Analysten von den Geschäftszahlen zum zweiten Quartal überwiegend enttäuscht. UBS-Analyst Hannes Leitner sprach von schmerzlich verfehlten Erwartungen. Die Kursziele für die Teamviewer-Aktie wurden reihenweise gekürzt. Gleichzeitig rät die eindeutige Mehrheit der von dpa-AFX erfassten Experten aber weiterhin zum Kauf der Aktie. Den Verkauf empfiehlt niemand, es gibt allerdings auch kritische Stimmen.

So seien bei Teamviewer Fragen bezüglich des in Aussicht gestellten Wachstumsprofils aufgekommen, stellt James Goodman von der britischen Investmentbank Barclays fest. Er empfiehlt die Aktie zu halten und gibt mit 29 Euro das derzeit niedrigste Kursziel aus. DZ-Bank-Analyst Armin Kremser glaubt zudem, dass Teamviewer das Vertrauen der Investoren zurückgewinnen muss.

Die Enttäuschung im zweiten Quartal schiebt Andreas Wolf von der Investmentbank Warburg Research auf einen vorübergehenden Effekt, da Kunden ihre im Zuge der Corona-Krise abgeschlossenen Lizenzen derzeit zurechtrückten. Deutsche-Bank-Analyst Gianmarco Conti verweist darauf, dass die Kunden nun verstärkt die Preise verhandeln, was im vergangenen Jahr noch nicht der Fall gewesen sei.

Der jüngste Kursrutsch geht einigen Fachleuten aber zu weit. Sherri Malek von der kanadischen Bank RBC hält die Teamviewer-Aktie nun für deutlich unterbewertet. Sie sieht den fundamentalen Wert bei satten 60 Euro, also noch über dem vor gut einem Jahr aufgestellten Rekordhoch. Für eine Kursaufwertung müsse jedoch das Wachstum im zweiten Halbjahr auch der Unternehmensprognose entsprechen.

Allgemein liegt der Fokus nun also auf dem restlichen Jahresverlauf. Dank der jüngsten Aufstockung des Personals dürfte die Produktivität von Teamviewer dann wieder an Dynamik gewinnen, glaubt Berenberg-Analyst Gustav Froberg. Mohammed Moawalla von der US-Investmentbank Goldman Sachs rechnet außerdem mit einer Belebung der Auftragslage des Softwareanbieters. Allerdings dürfte aus seiner Sicht die Aktie kurzfristig volatil bleiben./niw/mne/jha/