Von Telis Demos

FRANKFURT (Dow Jones)--Das US-Versicherungsunternehmen Allstate meldete diese Woche, dass die kombinierte Schaden-Kosten-Quote im zweiten Quartal auf 95,7 Punkte angestiegen ist. Sie lag damit fast sechs Punkte höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die Quote steigt, weil die versicherungstechnischen Verluste und Kosten einen größeren Prozentsatz der eingenommenen Prämien ausmachen. Und das ist nicht gerade das, was Anleger gerne sehen wollen. Der Anstieg resultierte aus der zunehmenden Häufigkeit von Autounfällen im Vergleich zu den sehr niedrigen Werten während der Pandemie. Der Trend zu mehr Unfällen könnte anhalten und für noch mehr Druck sorgen, da die Menschen immer noch nicht vollständig zu ihren alten Gewohnheiten zurückgekehrt sind.

Allstate hat errechnet, dass die Häufigkeit von versicherungsrelevanten Auto-Sachschäden im zweiten Quartal um 47 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist, aber immer noch 21 Prozent niedriger war als im gleichen Zeitraum des Jahres 2019. Der Versicherer Travelers sagte letzten Monat, dass die Fahraktivitäten in den meisten Teilen des Landes zwar fast wieder das Niveau vor der Pandemie erreicht haben. Dennoch verlaufe die Entwicklung bei Pendler- und Nicht-Pendlerverkehr immer noch unterschiedlich. Trotzdem ziehen Versicherer nicht zwangsläufig einen adäquaten Nutzen aus weniger Unfällen.

Die zugrundeliegende kombinierte Schaden-Kosten-Quote von Allstate in der Autoversicherung lag bei 91,8 und damit auf dem gleichen Niveau wie im zweiten Quartal 2019 - aber immer noch niedriger als in den Jahren 2017 und 2018. Das liegt daran, dass die Häufigkeit von Unfällen nicht das einzige Kriterium ist. Die Versicherer haben festgestellt, dass Autounfälle an Schwere zugenommen haben. Das ist zum Teil auf höhere Geschwindigkeiten zurückzuführen. Auch steigende Preise machen die Reparatur von Fahrzeugen teurer.

Solche Faktoren liegen größtenteils außerhalb der Kontrolle der Versicherer. Allstate sagte jedoch auch, dass die Preisgestaltung im Wettbewerb der Versicherer den günstigen Trend bei der Unfallhäufigkeit nicht zum Tragen kommen lasse. Der Trost für die Anleger besteht darin, dass die Branche diese Dynamik zu erkennen scheint und einen schädlichen Preiskrieg noch vermeiden könnte. Allstate kündigte an, dass das Unternehmen "gezielte Preiserhöhungen" in Erwägung ziehe, sofern dies geboten sei. Travelers teilte mit, dass man im Rahmen von Überlegungen zur Preisgestaltung prüfe, wie nachhaltig sich Kostensteigerungen auf die Autoversicherung auswirken könnten. Das Versicherungsunternehmen Progressive bestätigte diese Woche, dass im zweiten Quartal bereits in elf Bundesstaaten Preiserhöhungen in Kraft gesetzt wurden.

Das Risiko besteht darin, dass die Verbraucher auf höhere Preise reagieren, indem zu den verbleibenden billigeren Anbietern abwandern. Die Versicherer könnten aber auch ihren Teil dazu beitragen, dass Preiserhöhungen bereitwilliger akzeptiert werden. Bei Progressive lag die gesamte Preisänderung bei etwa zwei Prozent. Allstate stellte klar, dass man "nicht von zweistelligen Preiserhöhungen" spreche, die die Verbraucher dazu veranlassen könnten, sich bei den Aufsichtsbehörden zu beschweren. Der Versicherer aus Northfield in Illinois wies zudem darauf hin, dass man im vergangenen Jahr rund eine Milliarde US-Dollar an die Kunden zurückgegeben habe. Travelers sagte, dass höhere Tarife zunächst nur in Staaten angestrebt würden, in denen die Preise zuvor gesenkt wurden. Die Durchsetzung höherer Tarife kann dennoch langwierig sein, insbesondere wenn die staatlichen Aufsichtsbehörden ihr Veto einlegen.

Anleger sollten jetzt nicht vorschnell reagieren. Eine Kombination aus Preiserhöhungen, weniger häufigem Pendeln, einhergehend mit weniger schweren Verkehrsunfällen sowie sinkende Kosten für Autoreparaturen könnte die Versicherer erneut in eine gute Position bringen. Die S&P 500-Schaden- und Unfallversicherer als Gruppe erzielten im Jahr 2020 eine überdurchschnittliche Performance. In diesem Jahr lag das Plus bislang bei etwa acht Prozent, während der Finanzsektor laut FactSet insgesamt um 25 Prozent zulegte. Schaden- und Unfallversicherer werden aktuell mit dem 13,5-fachen des voraussichtlichen Gewinns für das gesamte Jahr gehandelt, da die Anleger einen so genannten "harten Markt" mit Zinserhöhungen erwarten. Vor der Pandemie lag das Kurs-Gewinn-Verhältnis bei 15.

Noch ist die anhaltende Pandemie vermutlich nicht fertig mit ihrem Werk, das Fahrverhalten und -gewohnheiten durcheinander gebracht hat. Dennoch scheinen die Autoversicherer in der Lage, auch den kommenden Verkehr zu bewältigen.

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August 06, 2021 05:21 ET (09:21 GMT)