Von Jon Sindreu

NEW YORK (Dow Jones)--Es ist schwer, gegen seine eigenen Produkte zu konkurrieren. Impfkampagnen geben den Fluggesellschaften zwar endlich die nötige Sicherheit, um wieder Jets zu kaufen. Dies ist eine besondere Erleichterung für Boeing, die noch im Juli etwa 100 ihrer 737 MAX Flugzeuge ohne Besitzer in ihren Lagerhallen stehen hatte. Jetzt sind es nur noch etwa zehn, dank einer Welle von Bestellungen von großen Fluggesellschaften wie United Airlines und Alaska Airlines.

Dies bestätigt einen der Eckpfeiler der Luftfahrtökonomie. Es gibt immer Käufer für neue, effizientere Flugzeuge. Da der Treibstoff ein Drittel der Betriebskosten der Fluggesellschaften ausmacht, sind die Kosten für die neuesten Jets gering im Vergleich zu den Einsparungen, die sie bringen.


   Rabatte für neue Maschinen 

Die Frage ist nur, zu welchem Preis. Die Eile der Fluggesellschaften beim Kauf der MAX lässt vermuten, dass Boeing momentan noch großzügige Rabatte anbietet. So ist die irische Billigfluglinie Ryanair dafür bekannt, in Krisenmomenten billige Flugzeuge zu kaufen. Sie bestellte im vergangenen Dezember 75 Maschinen. Der angeschlagene Ruf der MAX gibt Boeing einen besonderen Grund, den Verkäufen Vorrang vor den Margen einzuräumen.

Aber es gibt noch einen weiteren Faktor, der eine Rolle spielt, auch für den europäischen Hersteller Airbus. Es ist extrem billig, seine Flugzeuge - insbesondere größere Modelle - auf dem Gebrauchtmarkt zu kaufen. Nach den jüngsten Bewertungen der internationalen Beratungsfirma Ishka war eine 15 Jahre alte 737 im April dieses Jahres 20 Prozent billiger als im Januar 2020, eine 777-300ER als Großraumflugzeug sogar 45 Prozent.


   Preise für gebrauchte moderne Großflugzeuge im Sinkflug 

Die Buchwerte von Flugzeugen brauchen oft zwischen 12 und 24 Monaten, um die Auswirkungen einer Krise vollständig zu reflektieren. Die Daten deuten darauf hin, dass diese älteren Flugzeuge, die am meisten unter der Verkleinerung der Flotten der Fluggesellschaften gelitten haben, bereits auf dem Gebrauchtmarkt Fuß gefasst haben und von hier aus sogar höher bewertet werden könnten.

Bei den moderneren Großraumflugzeugen hingegen sind die Bewertungen noch immer im Sinkflug. Flugzeuginvestoren scheinen weiterhin pessimistisch zu sein, was internationale Routen angeht, die mehr von Geschäftsreisenden abhängig sind. Folge ist, dass sich Flugzeughersteller Sorgen machen sollten, da billige gebrauchte Jets eine starke Konkurrenz bedeuten können.


   Airlines wohl im Basarmodus 

"Traditions-Airlines werden diese Daten mit ziemlicher Sicherheit nutzen, um Zugeständnisse und Rabatte von den Flugzeugherstellern herauszuholen, wenn es um zukünftige Bestellungen geht", meint Eddy Pieniazek, Leiter der Beratungsabteilung von Ishka. "Diese Gespräche werden einfacher werden, wenn der Langstreckenverkehr endlich wieder ernsthaft aufgenommen wird, aber das wird wahrscheinlich noch Monate dauern, was den Druck auf die Hersteller weiter erhöht."

Neue Airline-Startups wie die britischen Unternehmen Flypop und Pragusa und das spanische Unternehmen World2Fly entscheiden sich für das Leasing gebrauchter Airbus A330. Bei Preisnachlässen von mehr als 35 Prozent kann selbst ein fünf Jahre altes Flugzeug aus einer ungeliebten Modellreihe eine bessere Wirtschaftlichkeit bieten.


   Boeings Probleme mit dem Dreamliner 

Große Sorgen bereitet Boeing der 787 Dreamliner, der zuletzt unter Produktionsproblemen litt. Nur zwei wurden im Mai ausgeliefert, teilte das Unternehmen vergangene Woche mit, was bedeutet, dass noch rund 100 Stück auf Lager stehen. Wie sich herausstellte, hat die 787 auch mehr als 30 Prozent ihres Gebrauchtwertes verloren, obwohl sie ein hochmodernes, schlankes Großraumflugzeug ist. Ihr Hauptkonkurrent, der Airbus A350, hat nur 15 Prozent an Wert verloren. Das Problem für die Gewinnmargen bei Boeing und Airbus ist, dass in der Luftfahrt nur wenige Käufer Bedenken gegenüber Gebrauchtware haben.

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June 14, 2021 09:58 ET (13:58 GMT)