Frankfurt (Reuters) - Der Hype um die Aktien von Gamestop geht in die nächste Runde.

Nach einem Rekord-Tagesverlust von 44 Prozent schossen die Titel des US-Videospielehändlers am Freitag im vorbörslichen Handel wieder um rund 100 Prozent in die Höhe. Mehrere Brokerhäuser lockerten auf Druck von Aufsichtsbehörden und Politikern ihre Beschränkungen für den Handel mit den Papieren wieder. Der Gamestop-Kurs stieg in den vergangenen zwei Wochen um rund 2000 Prozent, auch andere Aktien wiesen außergewöhnliche hohe Ausschläge auf.

Hintergrund der Turbulenzen waren Kleinanleger, die sich in Internetforen zu konzertierten Käufen von Aktien von GameStop und anderen Firmen verabredeten. Durch die dadurch ausgelösten Kursanstiege waren Hedgefonds zur Auflösung ihrer Wetten auf den Kursverfall dieser Papiere gezwungen. Dies trieb einige Fonds an den Rand des Ruins. Teilweise schränkten Online-Broker wie Robinhood daraufhin den Handel mit diesen Papieren ein, was bei einigen Anlegern und Politikern auf Kritik stieß. Die US-Wertpapieraufsicht SEC erklärte, sie beobachte die Vorgänge genau und werde die Sicherheit der Anleger sowie "faire, ordentliche und sichere Märkte" sicherstellen.

"Handelsplattformen müssen offen für alle Marktteilnehmer sein", sagte der FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar am Freitag zur Nachrichtenagentur Reuters. "Es kann nicht sein, dass eine Vielzahl von Kleinanlegern in einer volatilen Phase vom Handel ausgeschlossen werden und große Hedgefunds haben weiter Marktzugang." Fabio De Masi von den Linken sprach von einem Skandal: "Wenn Broker den Handel zum Schutz von institutionellen Anlegern aussetzen, zeigt dies, wie empfindlich Finanzhaie reagieren, wenn ihnen ein Schwarm einen Strich durch die Rechnung macht. Hier muss die Börsenaufsicht einschreiten."

Die Aufsichtsbehörden müssten diese Grundsätze rigoros durchsetzen. Von Seiten der BaFin hieß es, die Behörde beobachte den Markt und verschaffe sich gerade ein Bild darüber, welche Marktmissbrauchskonstellationen grundsätzlich in Frage kommen könnten. In den vergangenen Tagen habe es eine Vielzahl von Beschwerden von Privatanlegern zu technischen Störungen bei Trade Republic gegeben. Der Onlinebroker sei "mit Nachdruck" darauf hingewiesen worden, die Anforderungen einzuhalten und Kunden sämtliche Dienstleistungen störungsfrei zur Verfügung zu stellen. Am Donnerstag waren die Systeme des Berliner Brokers wegen des hohen Handelsaufkommens zeitweise überlastet.

Der zur Commerzbank gehörende Online-Broker Comdirect hatte nach Angaben eines Sprechers bislang keine Ausfälle. Aber man spüre deutlich ein höheres Handelsaufkommen am Nachmittag zur Öffnung der US-Börsen. Es könne dann länger dauern, bis Orderaufträge bearbeitet werden. Beim Handelshaus Scalable hieß es, man werde den Handel ermöglichen, solange es Quotierungen an den angebundenen Börsenplätzen gebe.

"Nicht nur seit den letzten Tagen, sondern seit Beginn der zweiten Pandemiewelle beobachten wir ein extrem hohes Handelsaufkommen durch die Privatanleger, die mangels Anlagealternativen verstärkt in die Aktienmärkte investieren", erklärte Tradegate Exchange, die unter anderem für den Broker Trade Republic als Ausweich-Handelsplatz fungieren. Probleme beim Ausführen des erhöhten Orderaufkommens gebe es nicht.

"RACHEFELDZUG GEGEN DIE BÖSEN HEDGEFONDS"

Bei den Kleinanlegern handelt es sich nach Einschätzung von Experten vor allem um junge, bislang weitgehend unerfahrene Händler. "Sie haben teilweise auch in der Finanzkrise 2008 miterlebt, wie ihre Eltern Häuser verloren haben, weil sie ihre Mieten nicht mehr bezahlen konnten, sehen das jetzt so ein bisschen als persönlichen Rachefeldzug gegen die großen, bösen Hedgefonds, die sie auch dafür verantwortlich machen, was 2008 passiert ist", sagte Raphael Kahle, IT-Chef beim Frankfurter Neobroker Justtrade.

In den vergangenen Tagen hatten Firmen wie die deutsche Biotechfirma Evotec, die US-Kinokette AMC oder der finnische Netzwerk-Ausrüster Nokia aus den gleichen Gründen wie GameStop massive Kursgewinne verbucht. Diesen Unternehmen ist gemein, dass Hedgefonds in großem Stil auf einen Preisverfall spekulieren. Die Experten der Bank JPMorgan haben 45 Werte ausgemacht, die anfällig für ähnliche Kurskapriolen sind. Zu dieser Liste gehört zum Beispiel die US-Restaurantkette Cheesecake Factory.