Von Patrick Thomas und David Benoit

NEW YORK (Dow Jones)--Das Arbeitsleben eines Wall-Street-Jungbankers in den Zwanzigern war schon immer eine Schufterei, geprägt von Marathon-Arbeitswochen und der Erledigung niederer Aufgaben. Das Homeoffice machte das noch schlimmer. Jetzt beordern die Bankchefs die Jungspunde zurück ins Büro. Während viele Unternehmen das erzwungene Covid-Experiment Homeoffice als Erfolg feiern, sind sich Top-Banken wie Goldman Sachs und JP Morgan Chase da nicht so sicher. Sie hoffen, dass die Büro-Rückkehr das Unwohlsein bei vielen Jungbankern verbessern wird.

Homeoffice "funktioniert nicht für jüngere Leute", sagte Jamie Dimon, Chef von JP Morgan, auf dem CEO Council Summit des Wall Street Journal im Mai. "Es klappt nicht für diejenigen, die sich anstrengen wollen."

Bei Goldman begann im Sommer 2020 eine Gruppe von 3.000 neuen Praktikanten und Analysten in der Bank ihre Arbeit aus dem Homeoffice heraus. CEO David Solomon sagte, er wolle nicht, dass das wieder passiere. "Ich bin mir völlig darüber im Klaren, wie beschäftigt unsere Leute waren", so Solomon im April und fügte an, dass dies durch die Isolation noch verschlimmert worden sei.

Viele junge Leute der Generation Zero, die an der Wall Street arbeiten, haben ihren Abschluss gemacht und danach einige ihre Kollegen noch nie persönlich getroffen. Banker sagen, dass die Mentorenschaft, das Training und die Kameradschaft, die auf natürliche Weise entstehen, wenn die Kollegen einen Schreibtisch weiter sitzen, auf Zoom nicht repliziert werden könnten. In einer Umfrage von Fishbowl gaben etwa zwei Drittel der Befragten im Finanzbereich an, dass sich ihre Work-Life-Balance während der Pandemie verschlechtert habe.


   Profitabilität trotz Homeoffice 

Der Profitabilität der Wall Street hat die Ära des Homeoffice indes nicht geschadet. Zu Beginn der Pandemie rannten nervöse Firmenkunden los, um Geld zu beschaffen. Dann stürzten sich die Kunden darauf, durch spezielle Übernahmegesellschaften (Spacs) an die Börse zu gehen. Umsätze und Gewinne erreichten Rekorde. Viele leitende Banker haben, oft von ihren Ferienhäusern aus, gestaunt, wie gut das Geschäft weiterlief.

Das hat einige dazu veranlasst, sich darüber zu beschweren, dass sie wieder in die Büros zurückgerufen wurden. Firmen wie Goldman Sachs und JP Morgan könnten deshalb wohl Mitarbeiter an Unternehmen verlieren, die zur Anwesenheitszeit im Büro großzügiger sind.

Aber Berufsanfänger in vielen Branchen bevorzugen oft das Büro, wo es einfacher sein kann, das Feedback des Chefs zu bekommen oder Freunde zu finden. Fast zwei Drittel der Hochschulabsolventen wollen hauptsächlich im Büro arbeiten, geht aus einer Umfrage des Personaldienstleisters iCIMS vom April hervor. Nur 2 Prozent wollen vollständig remote arbeiten. Vor allem für junge Banker könnte es schwierig sein, in einer beengten Einzimmerwohnung oder im Kinderzimmer mehrere Computermonitore und einen Bloomberg-Bildschirm aufzustellen.


  Bewährtes Erfolgsrezept 

Der Erfolg für junge Investmentbanker folgt seit Jahrzehnten dem gleichen Ritus. Arbeiten bis spät in die Nacht und an den Wochenenden. Das Übernehmen von Routineaufgaben wie das Aktualisieren von Slide Decks und das Zusammenstellen von Listen mit M&A-Zielen. Im Gegenzug können die Youngster eines Tages hoffen, die großen Deals zu betreuen und Millionen anzuhäufen.

Junior-Banker in Analystenprogrammen verdienen in der Regel ein Jahresgehalt im niedrigen sechsstelligen Dollar-Bereich, einschließlich Boni. Einige Banken polsterten die Vergütung als Reaktion auf die Pandemie auf. Die Schweizer Großbank Credit Suisse gewährte Mitarbeitern der unteren Ebene einen "Lifestyle-Zuschuss" von 20.000 Dollar. Jefferies Financial bot ihren Nachwuchsbankern Peloton-Heimtrainer oder Apple-Produkte an.


   Mehr Geld 

Es gibt jetzt auch einen Wettlauf bei den Banken um die Erhöhung der Gehälter. Die Bank of America gab ihren Analysten im April eine Gehaltserhöhung von 10.000 US-Dollar. In der vergangenen Woche haben Citigroup Inc, JP Morgan und Barclays die Gehälter der Analysten im ersten Jahr um 15.000 auf 100.000 Dollar vor Boni erhöht, wie mit der Angelegenheit vertraute Personen sagten.

Die Analystenprogramme sind auch wichtige Einstiegshilfen in andere Finanzbereiche, da die besten Junior-Banker nach ein paar Jahren gerne zu höheren Gehältern bei Private-Equity-Firmen und Hedge-Fonds anheuern. Einige dieser Firmen haben gezögert, junge Leute einzustellen, die noch nie regelmäßig in einem Büro gearbeitet haben, sagen Personalvermittler.


   Citigroup als Ausnahme 

Wie die Assistenzzeit eines Medizinstudenten in einem Krankenhaus ist die Ausbildung unersetzlich, die junge Banker im Büro erhalten, sagte Danielle Caston von Bellcast Partners. Eine Ausnahme bei der "Back-to-the-Office"-Order ist die Citigroup. CEO Jane Fraser teilte den Mitarbeitern im März mit, dass die meisten von ihnen nicht in Vollzeit ins Büro zurückkehren müssten. Sie habe ihre Entscheidung damit begründet, dass die Jungbanker bewiesen hätten, dass sie die Arbeit auch von zu Hause erledigen können, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Wall Street damit ringt, wie sie ihre Junior-Banker bei Laune halten kann. Nach der Finanzkrise 2008 sorgten sich die Finanzhäuser um die Abwanderung junger Mitarbeiter ins Silicon Valley und kündigten Änderungen wie schnellere Beförderungen und freie Wochenenden an. Aber Branchenkenner erwarten, dass die allgemeine Formel beibehalten wird.


   Mindestens 16 Stunden am Tag 

Der langjährige Banker Brian Mullen ist einer von ihnen. Er schrieb Anfang der 1990er Jahre ein Memo an seinen Arbeitgeber Donaldson, Lufkin & Jenrette, in dem er erklärte, dass Jungbanker sich nicht darüber beschweren sollten zu viel zu arbeiten, wenn sie nicht mindestens auf ein Pensum von 16 Stunden am Tag kommen.

Mullen steht immer noch zu dieser Aussage und erklärte, er habe einige junge Banker gesehen, die in den späten 1990er Jahren zu hippen Technologieunternehmen wechselten. Aber nach dem Dot-Com-Crash erstrahlte das Investmentbanking wieder in altem Glanz, mit langen Arbeitszeiten und allem Drum und Dran. "Ich kann Ihnen keine Investmentbank nennen, die sagte, die sind weniger verfügbar, also sollten wir sie nicht voll auslasten", so Mullen. "So arbeiten Investmentbanken nicht."

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July 05, 2021 04:56 ET (08:56 GMT)