DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Gut ein Jahrzehnt nach der Aufdeckung eines Schienenkartells hat sich das Düsseldorfer Oberlandesgericht mit der Frage beschäftigt, ob die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) und die Essener Ruhrbahn Schadenersatz bekommen sollen. Bei einer Verhandlung am Dienstag wurde deutlich, dass die ehemaligen Kartellanten - darunter Thyssenkrupp und der britische Konzern Balfour Beatty - einen schweren Stand haben. "Mit dem Sachvortrag haben wir noch so unsere Probleme", sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Egger und bezog sich dabei auf die Argumentation der Beklagten, derzufolge die Kläger gar keinen finanziellen Schaden erlitten hatten.

Bei dem Schienenkartell sprach sich eine Vielzahl von Bahntechnik-Produzenten im Zeitraum 2001 bis 2011 untereinander ab. Mitarbeiter entschieden unter der Hand, wer welche Ausschreibung gewinnen sollte. Nur zum Schein nahmen andere Kartellanten an Vergabeverfahren teil und gaben überteuerte Angebote ab, wie der Vorsitzende Richter Ulrich Egger am Dienstag im Rückblick auf die damalige Zeit berichtete. Auch seien Angebote bewusst zu spät abgegeben worden - nur um den Eindruck zu erwecken, dass es Wettbewerb gebe.

Das Kartellamt verhängte damals Bußgelder über insgesamt 97 Millionen Euro. Die Bußgeldbescheide sind längst rechtskräftig. Offen ist aber die Frage, ob und was die Kartellanten neben der Strafe ihren damaligen Kunden als Entschädigung zahlen müssen.

Die KVB und die Ruhrbahn schätzen, dass sie damals 25 Prozent mehr gezahlt haben, als sie es ohne Kartell getan hätten. Mit dieser Rechnung kommen sie auf einen Schaden von 2,1 Millionen Euro. Ein Urteil könnte eine gewisse Signalwirkung für andere, ebenfalls am OLG anhängige Verfahren zum selben Schienenkartell haben.

Das Thema Schadenersatz in Kartellfällen ist eine knifflige Sache. Denn dass es ein Kartell gab, lässt sich relativ leicht feststellen. Deutlich schwieriger ist die Frage zu beantworten, wie viel Geld die Kunden der Kartellanten mehr zahlen mussten. Zumal die Geschädigten höhere Preise in der Regel an ihre Endkunden - in diesem Fall alle Pendler und anderen Nahverkehrsnutzer - weitergeben.

Ein Anwalt von Balfour Beatty überraschte die Richter mit der Äußerung, dass der Preis für Weichen wegen des Kartells nicht höher ausgefallen sei, sondern niedriger. Denn weil man schon vor der offiziellen Vergabe sicher sein konnte, einen Auftrag zu bekommen, konnten die Firmen ihre Werke besser auslasten und im auftragsschwachen Winter bereits für das Frühjahr produzieren.

Wäre man sich der Aufträge nicht sicher gewesen, wäre im Winter Produktionsflaute gewesen und man hätte bestimmte Werke schon damals dichtmachen müssen. Dadurch wäre der Preis am Markt gestiegen. Das Weichenwerk seines Mandanten Schreck-Mieves - die Firma wurde 2008 von Balfour Beatty übernommen - habe nie Profite gemacht, es sei also nicht um Extra-Gewinne gegangen, so der Anwalt.

Der Vorsitzende Richter runzelte die Stirn. Der Anwalt wolle also sagen, "je mehr marode, insolvente Unternehmen ich am Markt habe, desto mehr Vorteile hätte ein Kartell?" So ein Verständnis sei "mit der Marktönonomie nicht vereinbar", sagte der Richter.

Der nächste Gerichtstermin ist für den 14. Dezember geplant. Der langwierige Rechtsstreit ging schon durch die Instanzen, 2020 verwies der Bundesgerichtshof den Sachverhalt zurück nach Düsseldorf.

Die Stadt Dortmund war ursprünglich der dritte Kläger in dem OLG-Pilotverfahren. Allerdings schloss die Kommune kurzfristig Vergleiche mit Beklagten ab und fiel daher aus dem Verfahren raus./wdw/DP/stw