ESSEN (dpa-AFX) - Beim Industriekonzern Thyssenkrupp drohen weitere Stellenstreichungen in seiner schwächelnden Sparte Anlagenbau. "Derzeit überprüfen wir, ob der im letzten Jahr angekündigte Personalabbau angesichts der veränderten Marktperspektiven ausreichend ist", sagte ein Unternehmenssprecher am Freitag auf Anfrage. Der Essener Konzern hatte 2017 angekündigt, innerhalb von drei Jahren in der Anlagen- und Schifffahrtsparte bis zu 2000 Stellen abzubauen. Insgesamt arbeiten im Geschäftsbereich Industrial Solutions mehr als 21 000 Menschen.

Aus der Sparte soll zudem der Marinebereich herausgelöst werden, wie Thyssenkrupp am Freitag mitteilte. Das Marinegeschäft soll unmittelbar aus der Thyssen-Zentrale geführt werden. Industrial Solutions soll sich ganz auf die Restrukturierung im Anlagenbau konzentrieren. Der Geschäftsbereich erhält zudem ein neues Management: Der bisher für das operative Geschäft der Sparte zuständige Marcel Fasswald übernimmt zum 1. Oktober die Leitung. Mit Oliver Tietze kommt zudem ein neuer Finanzvorstand. Die bisher zuständigen Manager Peter Feldhaus und Stefan Gensing werden das Unternehmen verlassen.

Thyssenkrupp steht unter Druck, bessere Ergebnisse zu liefern. Wegen der anhaltenden Schwäche im Anlagen- und Schiffsbau sowie Problemen bei Großprojekten hatte der Konzern Anfang August seine Prognose senken müssen. Interimschef Guido Kerkhoff kündigte daraufhin einen "tiefgreifenden Umbau" der Sparte an, wollte sich aber zu einem möglichen weiteren Stellenabbau nicht äußern. Die Aufstellung müsse an die veränderten Marktbedingungen angepasst und die Kosten gesenkt werden, erklärte er damals. Vor einigen Tagen hatte Thyssenkrupp einen milliardenschweren Auftrag aus Ungarn an Land gezogen. Für das Öl- und Gasunternehmen MOL soll der Konzern einen Chemiekomplex bauen.

Im Falle des Marinegeschäfts war in der Vergangenheit mehrfach über eine Trennung vom Schiffbau spekuliert worden. Bislang hatte Thyssenkrupp Pläne zu einem Ausstieg dementiert. Die Herauslösung des Marinegeschäfts könne auch als erster Schritt für eine Trennung Thyssens von seiner Werftengruppe gewertet werden, schrieb das "Handelsblatt" vor wenigen Tagen. Als möglicher Interessent gelte unter anderem der französische Staatskonzern Naval Group. Thyssenkrupp verzeichnete auch in der Schiffsparte zuletzt Probleme, etwa mit einem Projekt in der Türkei, das zu höheren Kosten führt.

Die Gewerkschaft sieht den Umbau als positiv für das Marinegeschäft an. "Wir haben keine Anzeichen dafür, dass ein Verkauf der Werftensparte vorbereitet wird. Im Gegenteil: Wir sehen in der Entscheidung des Konzerns ein klares Bekenntnis zum Schiffbau", erklärte Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste. Die Gewerkschaft setze darauf, dass die neue Struktur den Marineschiffbau stärke und dem Management mehr Möglichkeiten gäbe, eigenständig und selbstbestimmt zu arbeiten.

Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende des Marinegeschäfts, Achim Hass, erklärte, der Bereich könne sich auf seine beiden Standbeine, den Über- und Unterwasserschiffbau, konzentrieren. Aber auch im Marinegeschäft werde es "weitere Veränderungen in den Abläufen und Strukturen geben. Es sind aber keine Sanierungen wie in anderen Bereichen des Konzerns geplant". Zur Werftensparte von Thyssenkrupp zählen in Deutschland etwa 5400 Beschäftigte.

Damit geht der Umbau des Konzerns trotz eines Personalvakuums weiter. Thyssenkrupp befindet sich gerade in einer Führungskrise. Die Posten von Vorstands- und Aufsichtsratschef sind vakant, nachdem Heinrich Hiesinger und Ulrich Lehner vor einigen Monaten kurz hintereinander das Handtuch geworfen hatten./nas/stk/DP/jkr/fba