(Neu: Aktienkurs, mehr zu Vale)

ESSEN (dpa-AFX) - Der Industriekonzern Thyssenkrupp will sich künftig allein um die Zukunft seines brasilianischen Problem-Stahlwerks CSA kümmern. Das Unternehmen verständigte sich mit dem Rohstoffkonzern Vale auf die Übernahme von dessen knapp 27-prozentigem Anteil an der Anlage in der Nähe von Rio de Janeiro. Als Gegenleistung sei ein "symbolischer Kaufpreis" vereinbart, teilte ThyssenKrupp am späten Montagabend in Essen mit.

Als alleiniger Eigentümer hofft Thyssenkrupp nun, das verlustreiche Werk leichter verkaufen zu können. Frühere Versuche, die 2010 in Betrieb genommene Anlage zu veräußern, waren auch an den komplizierten Eigentums- und Mitspracherechten bei der Tochter gescheitert. Das sei nun bereinigt, erklärte Thyssenkrupp. Viele operative Verträge zwischen CSA und Vale seien aufgelöst. Langfristig verlängert wurde lediglich der Erzliefervertrag mit dem Rohstoffkonzern. Ein Sprecher sprach von guten Konditionen für beide Seiten.

THYSSENKRUPP-AKTIEN VERLIEREN KRÄFTIG

Die Börse reagierte vorsichtig. Die Thyssenkrupp-Aktien verloren bis zum frühen Nachmittag mehr als fünf Prozent an Wert und waren damit Schlusslicht im ohnehin schwachen Leitindex Dax . An den vergangenen Tagen hatten die Papiere allerdings angesichts von Spekulationen über eine Konsolidierung der Stahlbranche in Europa kräftig zugelegt.

Dank des nur symbolischen Kaufpreises muss sich Thyssenkrupp für das Geschäft kein neues Geld leihen. Lediglich für den Fall, dass der Ruhrkonzern das einst rund 12 Milliarden Euro teure Werk künftig über dem aktuellen Buchwert von rund 2,2 Milliarden Euro verkauft, würde Vale noch einen Nachschlag erhalten, für den eine feste Formel ausgehandelt ist. Der Transaktion müssen noch der Aufsichtsrat von Thyssenkrupp und Aufsichtsbehörden zustimmen.

STAHLWERK RISS KONZERN IN DIE KRISE

Der Bau des brasilianischen Stahlwerks hat sich für Thyssenkrupp als desaströser Fehlschlag erwiesen, der zu Milliarden-Verlusten führte und den Konzern in eine tiefe Krise stürzte. Erst explodierten die Baukosten, dann zeigte sich, dass es kaum wirtschaftlich für den Konzern zu betreiben ist. Zudem sorgten Schäden immer wieder für Probleme beim Anlauf der Produktion. Hinzu kamen Verstöße gegen Umweltschutzauflagen. Mehrfach ging Graphit-Staubregen nieder.

Von Beginn an war Vale Partner des Projekts. Dahinter stand auch die Idee, dem Werk die Rohstoffversorgung zu sichern. Ursprünglich war Vale allerdings nur zu zehn Prozent beteiligt. Doch als der Bau immer teurer und das Geld bei Thyssenkrupp knapp wurde, erhöhte Vale 2009 seinen Anteil an CSA auf knapp 27 Prozent. Allein für die Aufstockung zahlten die Brasilianer damals knapp eine Milliarde Euro.

JETZT HAT VALE ZU KÄMPFEN

Es war eine Zeit, als die Erzpreise weltweit noch dank des China-Booms fast unaufhörlich stiegen und die Bergbaukonzerne viel Geld verdienten. Das hat sich nun komplett geändert. Vale steckt wegen des Verfalls der Rohstoffpreise selbst in der Krise. Im vergangenen Jahr kam ein Verlust von gut 12 Milliarden US-Dollar zusammen. Vor diesem Hintergrund stößt der Konzern Randbereiche ab und will seine Verbindlichkeiten senken. Vale betonte, mit dem Ausstieg bei CSA auch nicht mehr für die Schulden des Stahlwerks geradestehen zu müssen.

Thyssenkrupp hingegen arbeitete sich zuletzt aus seiner Krise heraus und erwirtschaftete in den vergangenen beiden Jahren trotz des brasilianischen Bremsklotzes wieder Gewinne. Auch im brasilianischen Werk verbesserten sich Abläufe. Zuletzt verhinderte aber der Absturz der Stahlpreise schwarze Zahlen der Anlage.

GERÜCHTE ÜBER ZUSAMMENSCHLUSS MIT TATA

Der Einbruch der Stahlpreise macht der ganzen Branche zu schaffen. Auch in Europa schreiben die meisten Werke Verluste. Vor diesem Hintergrund gibt es zahlreiche Gespräche unter Stahlherstellern, um Möglichkeiten für eine Bereinigung des Marktes auszuloten. Zuletzt tauchten Gerüchte auf, dass Thyssenkrupp seine Stahlsparte in Europa mit den niederländischen Werken des indischen Tata-Konzerns zusammenbringen könnte. Die Unternehmen kommentieren das nicht weiter. Allerdings betont Thyssenkrupp selbst seit zwei Jahren, sich aktiv an einer möglichen Konsolidierung der Stahlbranche in Europa beteiligen zu wollen./enl/stw/stb

Unternehmen im Artikel: ThyssenKrupp AG, Vale SA