HAMBURG/STOCKHOLM (dpa-AFX) - Sanierungspläne und die Ausrichtung auf den Onlinehandel treiben die Modebranche um. Der lange Sommer mit warmen Temperaturen hat zudem die Kauflaune der Kunden getrübt. Viele Einzelhändler legten daraufhin enttäuschende Zahlen vor und prognostizierten für das Jahr Umsatzrückgänge, so auch die Modeketten Gerry Weber und Tom Tailor. Im Gegensatz dazu konnte H&M im Sommer etwas zulegen. Die wichtigsten Punkte für die Unternehmen, was die Experten sagen und wie es für die Aktien läuft:

DAS IST LOS IN DER MODEBRANCHE:

Abgesehen von einem heißen Sommer haben viele Modefirmen auch an strukturellen Problemen zu knabbern. Besonders hart trifft es Gerry Weber. Der Modekonzern hat nun ein Sanierungsgutachten in Auftrag gegeben, was die Aktionäre in Panik versetzte. Die Aktie verlor zu Wochenbeginn mehr als ein Viertel ihres Wertes.

Der auf ältere, vor allem weibliche Kunden spezialisierte Konzern hatte zu viele Läden in der Fläche eröffnet, die dann reihenweise wieder geschlossen werden mussten. Jetzt soll der Umbau schneller vorangehen - der Modehändler will moderner werden. Doch das geht ins Geld. Im dritten Quartal setzte das Unternehmen erheblich weniger um und verdoppelte seine Verluste. Der Umsatz sank bis 31. Juli um 11,4 Prozent auf gut 170 Millionen Euro.

Wie auch Tom Tailor oder selbst H&M hat der Modehändler mit der Onlinekonkurrenz von Zalando und Co. zu kämpfen. Im Internet müssen die Unternehmen noch aufholen, dabei kommen Konzernumbau und digitale Neuausrichtung oftmals nicht schnell genug voran.

Bei der Hamburger Modekette Tom Tailor schwächelt insbesondere die Marke Bonita, die aktuell auf dem Prüfstand steht, wie das Unternehmen bei Veröffentlichung der Gewinnwarnung vergangene Woche mitteilte. Vergangenes Jahr sah es noch so aus, als hätte der Konzern die Wende nach einem überzogenen Expansionskurs geschafft. Nach rund 70 Millionen Euro Verlust im Vorjahr schloss Tom Tailor 2017 wieder mit Gewinn ab, auch die Nettoverschuldung ging zurück. Doch der laufende Konzernumbau schlägt härter zu Buche als gedacht. Der Gewinn vor Steuern und Zinsen (Ebit) ging in den ersten sechs Monaten um mehr als ein Drittel zurück. Für das laufende Jahre wird jetzt ein Umsatzrückgang erwartet.

Der schwedische Modekonzern Hennes & Mauritz (H&M) muss im Online-Handel ebenfalls aufholen. Denn allein mit günstigen Preisen kann das Unternehmen nicht gegen Konkurrenten wie die Billigkette Primark des britischen Konzerns AB Foods ankommen. Über den Sommer konnten die Schweden ihre Kunden jedoch mit Rabatten locken. Wie geplant konnte der Konzern somit seine Lager etwas leeren. Vor der Vorlage des ausführlichen Berichts zur Umsatzentwicklung am 27. September dämpfte H&M aber schon die Erwartungen. Der Aufbau neuer Lieferketten in einigen wichtigen Märkten wie Frankreich, Italien, Belgien oder den USA werde teuer.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Analysten bewerten die Firmen sehr unterschiedlich. Während Gerry Weber am schlechtesten abschneidet, sehen die Experten bei Tom Tailor und H&M Aufholpotenzial. "Alle befinden sich gerade in einer Restrukturierungsphase", sagte Analyst Christian Salis von der Privatbank Hauck & Aufhäuser zu dpa-AFX. "Im dritten Quartal war das Wetter zudem ein großes Problem, weil sich der Verkauf der Herbst- und Wintermode wegen des heißen Septembers auf Oktober verlegt." Vor allem bei Tom Tailor sei das der Hauptgrund für die Umsatzverluste.

Bei Gerry Weber raten acht von zehn von Bloomberg erfasste Analysten zum Verkaufen und zwei zum Halten der Aktie. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 4,16 Euro. "Wir sehen größere Probleme mit der Markenpositionierung, hauptsächlich aufgrund der Fokussierung auf eine ältere Käuferschicht, die jedoch immer mehr online und bei Fast-Fashion Playern wie H&M und Inditex einkauft", sagte Analyst Salis.

Das Analysehaus Kepler Cheuvreux macht aus der Not eine Tugend: Durch ein Sanierungsgutachten erhalte Gerry Weber einen Restrukturierungsvorschlag für die kommenden Jahre, der für die Refinanzierungsverhandlungen mit den Banken wichtig sei, sagte Analyst Jürgen Kolb.

Optimistischer sind die Experten bei Tom Tailor. Von acht Analysten bei Bloomberg raten fünf zum Kaufen und drei zum Halten der Aktie. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 9,65 Euro. Die Commerzbank hat Tom Tailor nach einer Gewinnwarnung von "Buy" auf "Hold" abgestuft und das Kursziel von 10,70 auf 4,50 Euro deutlich gesenkt. Mit den reduzierten Zielen von Tom Tailor dürften höhere Kosten verbunden sein, damit das Modeunternehmen wieder wachse, schrieb Analystin Sabrina Taneja. Das gelte vor allem für die Filialkette Bonita.

Bei H&M überwiegen die Verkaufsempfehlungen. Fast die Hälfte der 33 Analysten rät dazu, nur zwei sprechen sich für den Kauf der Aktien aus. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 11,24 Euro. Fredrik Ivarsson vom Analysehaus Kepler Cheuvreux bestätigte seine Kaufempfehlung. Er bewertet das Wachstumstempo im dritten Quartal positiv und geht auch im vierten von einer steigenden Profitabilität aus.

DAS MACHEN DIE AKTIEN:

Für Gerry Weber ging es am Montag nach Beauftragung des Sanierungsgutachtens auf den tiefsten Stand seit 15 Jahren nach unten. Das Papier kostete nur noch rund 3 Euro. Im März musste der Konzern den SDax verlassen und ist damit in keinem wichtigen Index mehr enthalten. Das Modehaus kämpft mit der Abwärtsspirale.

Ähnlich hart traf es in diesem Jahr Tom Tailor. Seit Ende Januar hat der Kurs zwei Drittel seines Wertes auf zuletzt rund 4 Euro eingebüßt.

Die Umsatzzahlen im September sorgten bei H&M dagegen für etwas Auftrieb. In der vergangenen Woche legte die Aktie um mehr als 15 Prozent zu. Auf lange Sicht verzeichnet das Papier allerdings hohe Verluste. In einem Jahr sank die Aktie um rund 30 Prozent, in drei Jahren waren es sogar mehr als 50 Prozent./elm/tav/bek/she