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Paris (Reuters) - In Frankreich haben landesweite Streiks gegen Rentenreform-Pläne große Teile des öffentlichen Lebens lahmgelegt und zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten geführt.

In Paris setzten Einsatzkräfte am Donnerstag Tränengas gegen Protestierer ein, nachdem sie aus deren Reihen von Maskierten mit Gegenständen beworfen wurden. Präsident Emmanuel Macron rief zu friedlichen Kundgebungen und Gewaltverzicht auf. Er verteidigte die Rentenreform als gerecht und notwendig. "Wir müssen das durchziehen", sagte er am Rande eines Staatsbesuches in Madrid. Nach seinem Willen soll das Renteneintrittsalter um zwei Jahre auf 64 Jahre herausgesetzt werden. Für die Gewerkschaften sind die Kundgebungen vom Donnerstag lediglich der Auftakt einer Protestwelle.

Der Zugverkehr kam weitgehend zum Erliegen, der öffentliche Nahverkehr war stark gestört. Laut dem Bahnbetreiber SNCF verkehrten kaum Regionalzüge und die Hochgeschwindigkeits-TGV-Linien waren deutlich ausgedünnt. Zudem blieben viele Schulen geschlossen und Raffinerien wurden blockiert. Gewerkschaften hatten die Beschäftigten aufgerufen, die Arbeit niederzulegen und gegen die längere Lebensarbeitszeit auf die Straße zu gehen. Die unpopuläre Reform gilt als ein Schlüsselprojekt in Macrons zweiter Amtszeit.

Die Streiks wirkten sich auch auf die Stromerzeugung aus. Daten des Versorgers EDF und des Netzbetreibers RTE zeigten, dass sie um 7,8 Gigawatt (GW) zurückging, was etwa zwölf Prozent der gesamten Stromversorgung entspricht. Frankreich musste daher verstärkt Strom aus Großbritannien, Belgien, Deutschland, der Schweiz und Spanien importieren. EDF teilte mit, 45 Prozent seiner Beschäftigten hätten sich an den Ausständen beteiligt. Die Atomkraftwerke im Land würden wahrscheinlich hochgefahren, um die Netzstabilität tagsüber zu gewährleisten, meint Analyst Emeric de Vigan: "So funktionieren Streiks in Frankreich: Streikende dürfen die Versorgungssicherheit nicht gefährden."

Die Gewerkschaft CGT hatte die Beschäftigten an den vier Raffineriestandorten des Konzerns TotalEnergies zu Streiks aufgerufen. TotalEnergies rechnete aber nicht mit Ausfällen der Kraftstoffversorgung an Tankstellen.

Der Rückhalt in der Bevölkerung für die Protestwelle ist groß: In einer Umfrage hielt ein Großteil der Befragten Streiks als Protestmittel für angebracht. In Frankreich gab es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Versuche der Regierung, das Rentensystem zu reformieren - es ist eines der großzügigsten und teuersten in Europa. Die Gewerkschaften argumentieren, dass es andere Möglichkeiten gebe, beispielsweise Super-Reiche stärker zur Kasse zu bitten oder die Arbeitgeberbeiträge anzuheben.

Ob die Gewerkschaften genügend Arbeitnehmer mobilisieren können, um das Vorzeigeprojekt Macrons zu kippen, ist laut Experten eine offene Frage: "Was niemand wissen kann, und nicht einmal die Gewerkschaften wissen, ist, ob der Groll der Franzosen groß genug ist, um das Land zu blockieren", sagte der Politologie-Professor Bruno Palier von der Pariser Hochschule Sciences Po.

Die Gewerkschaften hatten Mitte der 90er Jahre mit einer mehrwöchigen Streikwelle erfolgreich den Versuch der damaligen konservativen Regierung torpediert, das Renten- und Sozialversicherungssystem neu auszurichten. Ende 2019 sah sich Macron bei seinem ersten Versuch einer Rentenreform bereits mit massiven Protesten konfrontiert, bevor er angesichts der aufgekommenen Pandemiewelle die Pläne auf Eis legte.

(Bericht von Juliette Jabkhiro, Forrest Crellin, Benjamin Mallet, America Hernandez, geschrieben von Reinhard Becker und Hans Busemann. Redigiert von Scot W. Stevenson. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)