BERLIN (dpa-AFX) - Die Bundesregierung gerät bei der geplanten Testpflicht für Reiserückkehrer, die keinen Nachweis einer vollständigen Impfung oder Genesung haben, unter Zeitdruck. Er dränge sehr darauf, dass man es jetzt mache, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Mittwochabend in der ZDF-Sendung "Markus Lanz". Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) sagte dem TV-Sender Phoenix, eine Entscheidung müsse möglichst schnell fallen und nicht erst Mitte oder Ende August. "Wir sollten das Thema zügig anpacken", sagte Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) der Mediengruppe "Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung" (Donnerstag).

Söder hatte am Dienstag mit Blick auf eine erweiterte Testpflicht den 1. August als Datum genannt und sich auf eine Zusicherung des Bundes berufen. Die Bundesregierung ließ am Mittwoch aber den Starttermin noch offen.

Derzeit werde nach einem möglichst pragmatischen Weg für Tests etwa für die Rückkehrer aus dem Sommerurlaub gesucht, sagte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) am Mittwochabend in der Gesprächsreihe "Brigitte live". Brinkhaus machte deutlich, man werde nicht lückenlos jedes Auto an den Grenzübergängen anhalten und nach Test-, Impf- oder Genesungsnachweis fragen. "Da müssen wir einen Weg finden, wie das in der Praxis auch durchführbar ist."

Regierungschefs mehrerer Bundesländer unterstützen eine Testpflicht. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Donnerstag): "Die Tests sind der zentrale Baustein, um das Infektionsgeschehen in der ungeimpften Bevölkerung einzudämmen." Deshalb sollten alle Reiserückkehrer entweder einen negativen Test, einen Genesenen-Nachweis oder einen Impfnachweis vorlegen können. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer betonte, aus dem vergangenen Jahr wisse man, dass Reiserückkehrer viel zum Anstieg des Infektionsgeschehens beigetragen hätten. "Es ist ein kleiner Mehraufwand für Jeden von uns, schafft aber viel Sicherheit", sagte der CDU-Politiker dem RND.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte dem Redaktionsnetzwerk, ein neuer harter Lockdown solle unbedingt vermieden werden. "Jeder, egal ob er mit dem Auto, der Bahn oder dem Flugzeug aus dem Ausland zu uns einreist und nicht geimpft oder genesen ist, muss einen negativen Test nachweisen können." Dreyer erwartet von der Bundesregierung ein Konzept, "wie die Kontrolle und die Einhaltung der Testpflicht sichergestellt werden sollen".

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, man könne eine vierte Corona-Welle verhindern, wenn der Impffortschritt verstärkt werde und man Infektionen frühzeitig erkenne. "Deswegen sind Tests für alle diejenigen, die aus Urlaubsregionen zurückkommen, der richtige Weg. Nur so können importierte Infektionsketten schnell unterbrochen werden", sagte Dobrindt der "Augsburger Allgemeinen" (Donnerstag).

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach plädierte dafür, dass ein Test nicht zwingend im Ausland vor Rückreise gemacht werden muss. "An Bahnhöfen und Flughäfen sollte es Kontrollen geben. Wer keinen Test hat, sollte ihn entweder vor Ort machen können oder eine gewisse Frist bekommen, um einen Test nachzureichen", sagte Lauterbach dem Online-Nachrichtenangebot ZDFheute.

Söder und Scholz sprachen sich zugleich dafür aus, dass Tests auf Dauer selbst bezahlt werden müssen, wenn sich alle impfen hätten lassen können. Das dürfe aber nicht für diejenigen gelten, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen könnten oder für die es - wie für Kinder - keine Impfempfehlung gebe, betonte Vizekanzler Scholz. CSU-Chef Söder sagte: "Wer partout nicht will, und das respektiere ich, aber der muss dann auch die Konsequenz und die Verantwortung dafür übernehmen." Eine Entscheidung, ab wann und wie, sollte vor der Bundestagswahl getroffen werden. Auf die Frage, ab wann das Bezahlen von Tests gelten könnte, antwortete Söder: "Ab Oktober auf jeden Fall."

Unterdessen geht die Debatte darüber weiter, welche Faktoren künftig maßgebend für Corona-Schutzmaßnahmen sein sollen. Der Chef des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, hatte die Inzidenz in einem Papier als "Leitindikator" bezeichnet.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte der "Bild", es brauche neben der Inzidenz "zwingend weitere Kennzahlen, um die Lage zu bewerten". Wichtig sei etwa die Zahl der neu aufgenommenen Covid-19-Patienten im Krankenhaus. "Mit steigender Impfrate verliert die Inzidenz an Aussagekraft", betonte Spahn. CSU-Chef Söder sagte, die Inzidenz werde man sicher weiter brauchen. Wichtig sei aber auch die Frage, wann eine Überlastung des Gesundheitssystems drohe, wenn mehr als die Hälfte der Bevölkerung geimpft sei.

FDP-Fraktionsvize Michael Theurer forderte in der "Welt", Spahn solle darauf hinwirken, dass ein "dynamischer Faktor" eingeführt werde - etwa bestehend aus der Impfquote, verfügbaren Krankenhausbetten und der Kapazität der Gesundheitsämter. Der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Achim Kessler, forderte zur Anpassung des Infektionsschutzgesetzes in der Zeitung eine rasche Sondersitzung des Bundestages.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Dreyer forderte im RND-Interview, Bund und Länder müssten zu einem neuen Warnwert kommen. Grundlage könne ein Ampelsystem unter Einbeziehung einer Hospitalisierungsinzidenz sein. Müller wies auf die Corona-Ampel in Berlin hin, die neben der Inzidenz etwa auch die Intensivbettenauslastung erfasse./shy/DP/zb