SAN FRANCISCO (dpa-AFX) - Mit der Erstnotiz von Uber ist die Welt der Anleger um einen Internet-Giganten reicher geworden. Der Fahrdienstvermittler reiht sich ein in die Tech-Unternehmen, die mit viel Aufsehen an die Börse gingen, bei denen sich die Geister aber scheiden zwischen Wachstumsfantasie auf der einen und der Schwierigkeit, Geld zu verdienen, auf der anderen Seite. Das operative Geschäft von Uber gilt als chronisch unprofitabel, dennoch wurde die Börsenpremiere zur größten seit Jahren.

DAS IST LOS BEI UBER:

Das Unternehmen wurde 2009 in San Francisco gegründet und vermittelt weltweit über seine App in ausgewählten Städten Fahrdienste, die sogar von Privatpersonen angeboten werden. Nach jüngsten Angaben des Unternehmens tummelten sich mehr als 90 Millionen Nutzer auf der Plattform, die sich dort mit gut vier Millionen Fahrern zu täglich etwa 14 Millionen Fahrten zusammenfinden. Konzernchef Dara Khosrowshahi wird die Vision nachgesagt, dass er Uber vom "Taxi-Schreck" zum Mobilitäts-Allrounder machen will.

Die rasante Expansion ist von Konflikten geprägt - immer wieder gerät Uber wegen seiner aggressiven Methoden und seines branchengefährdenden Geschäftsmodells mit Behörden und Wettbewerbern aneinander. In Deutschland sind die Barrieren besonders hoch, derzeit dürfen hier keine Fahrten von Privatpersonen vermittelt werden. Aber auch bei den mit Uber verbündeten Fahrern wächst der Ärger: Sie protestierten vor dem Börsengang vielerorts gegen angeblich schlechte Arbeitsbedingungen.

Für Anleger ist Uber ein fragwürdiges Investment, denn das Unternehmen schreibt tiefrote Zahlen und das Erreichen der Gewinnzone darf getrost als ungewisse Wette bezeichnet werden. Uber-Chef Khosrowshahi gibt sich erst gar keine große Mühe, dies zu kaschieren. Im Gegenteil: Wer eine absehbar profitable Firma wolle, solle lieber eine Bank kaufen, riet er im Dezember.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Beim Börsengang griffen Investoren keinesfalls sorglos zu, der Ausgabepreis bewegte sich mit 45 Dollar je Aktie am unteren Ende der ursprünglich anvisierten Preisspanne. Uber brachte es aber dennoch auf eine stolze Gesamtbewertung von mehr als 80 Milliarden Dollar, womit die Aktie im marktbreiten S&P 500 Index unter den Top 80 rangieren würde. Im US-Leitindex Dow Jones Industrial ließe Uber damit immerhin Unternehmen wie die Industriegröße Caterpillar oder die renommierte Wall-Street-Bank Goldman Sachs locker hinter sich.

Nachdem schon die Zeichnungsphase holprig verlief, wurde auch das Börsendebüt am 10. Mai zum Flop - die Aktien knickten am ersten Handelstag ein und hatten ihren Ausgabepreis vorerst aus den Augen verloren. Am Folgetag erreichten sie ein Tief bei 36,10 US-Dollar, von dem aus sie sich mühsam wieder berappelten. In der Spitze ging es dann Anfang Juni hoch bis auf 45,75 Euro. Zuletzt ebbte das Interesse aber wieder ab, mittlerweile stehen sie wieder leicht unter dem Ausgabepreis.

Möglicherweise war bei dem schwachen Börsendebüt die Kursentwicklung bei Lyft den Anlegern ein Warnzeichen: Für den kleineren Rivalen waren die Zeichnungsphase und der erste Handelstag Wochen zuvor zwar euphorischer verlaufen. Nach ersten Gewinnen bis auf 88,60 Dollar war den Papieren aber schnell die Luft ausgegangen. Den Ausgabepreis von 72 Dollar konnte Lyft in den vergangenen zwei Monaten nicht mehr erreichen.

Mit der anfänglichen Schwäche könnte Facebook für die Börsenstarts von Lyft und Uber zu einer Blaupause werden, die Aktie des Sozialen Netzwerks war 2012 auch zuerst gefloppt. Begleitet von Pleiten und Pannen war damals von einem der "übelsten Börsenstarts der jüngeren Geschichte" die Rede. Es dauerte mehr als ein Jahr, bis die Investoren der ersten Stunde ihre Aktien mit Gewinn verkaufen konnten. Jahre später haben sie ihr Geld mehr als vervierfacht.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Die Sorgen, die sich Anleger um die Profitabilität von Uber machen, hindern Experten nicht daran, die Papiere positiv zu bewerten. Anfang Juni war die "Quiet Period" ausgelaufen, in der Banken noch auf Anlageempfehlungen verzichten müssen. Seither gibt es zahlreiche positive Empfehlungen mit "Buy", "Outperform" oder "Overweight" von renommierten Häusern wie Morgan Stanley, der Bank of America, Goldman Sachs oder der Deutschen Bank.

Heath Terry von Goldman Sachs baut seinen Optimismus darauf, dass die Mobilität des Menschen in den nächsten zehn Jahren die größte Veränderung seit der Erfindung des Automobils durchmachen werde. Entsprechend gebe es einen Wettlauf mit hohen Investitionen, der sich auszahlen werde, sobald das Umfeld reift. Potenzielle Branchenführer böten daher für Anleger eine bedeutende Chance.

Joseph Spak von RBC hat bislang mit 62 Dollar ein besonders hohes Kursziel für die Uber-Aktie genannt. Auch er verweist in seiner Studie auf das gigantische Universum von Fahrdiensten, in dem Uber schnell wachse und als dominanter globaler Leader über die führenden Technologien und Produkte verfüge. Seiner Einschätzung nach wird dies an der Börse bislang unterschätzt. Er rechnet allerdings vor dem Jahr 2023 nicht damit, dass die operative Gewinnschwelle überschritten wird.

Analyst Lloyd Walmsley von der Deutschen Bank sieht in der Aktie gar "die attraktivste neue Internet-Story seit der Erstnotiz von Facebook". Bezüglich der Bedenken in puncto Profitabilität sehe er ein geringeres Risiko als in einer vergleichbaren Phase bei dem Sozialen Netzwerk, als dieses den Übergang zur mobilen Nutzung seiner Dienste meistern musste. Uber sei als globaler Marktführer gut positioniert, um in den kommenden Jahren zu dominieren.

Analyst Benjamin Black vom Analysehaus Evercore ISI glaubt, dass Uber und auch Lyft "schneller profitabel werden, als dies der Markt gegenwärtig erwartet" - und dies im Gleichschritt. Da beide Aktien miteinander korrelierten, bedeute der Erfolg des einen wohl auch den Erfolg des anderen. Er hat eine positive Haltung gegenüber der Mitfahrbranche, sowohl hinsichtlich der mittelfristigen Perspektiven als auch der langfristigen Realisierbarkeit./tih/ajx/fba