Von Stephen Wilmot

NEW YORK (Dow Jones)--Die UBS wechselt mitten in der Übernahme der Credit Suisse ihren Chef aus. Das passiert aus demselben Grund, aus dem die Anleger dem Deal mit der Credit Suisse noch immer misstrauisch gegenüberstehen. So ist das Risiko bei der Umsetzung des Deals nämlich groß. Die Schweizer Bank gab zuletzt bekannt, dass der ehemalige CEO Sergio Ermotti nächste Woche die Nachfolge von Ralph Hamers antritt, um die Übernahme der Credit Suisse abzuschließen und die anschließende Integration anzuführen.

Ermotti steuerte die UBS durch die Krisenjahre nach dem Skandal um unseriöse Geschäftemacherei im Jahr 2011, indem er die Risiken bei der Investmentbank reduzierte und die Marke neu auf Vermögensverwaltung ausrichtete. Da die Übernahme der Credit Suisse auch eine Verkleinerung des risikofreudigen Investmentbanking mit sich bringt, ist er ein naheliegender Kandidat für diese Aufgabe.

Der Schritt überraschte trotzdem. Hamers trat erst 2020 die Nachfolge von Ermotti an und die Aktionärsrenditen haben sich unter seiner Ägide deutlich verbessert. Umstrukturierungen sind ihm nicht fremd, denn er hat bereits die niederländische Bankengruppe ING Groep umgekrempelt. Warum also überhaupt ein Wechsel an der Spitze?

Auf einer aktuell anberaumten Pressekonferenz kitzelten die Journalisten den Verantwortlichen die Antworten heraus. Es wurde deutlich, dass Hamers bereit war, sein früheres Beharren auf organischem Wachstum aufzugeben und die Herausforderung der Integration der Credit Suisse anzunehmen. Aber Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher wollte kein Risiko eingehen mit jemandem, der nicht speziell für eine derart komplexe Aufgabe eingestellt worden war. Er betonte, dass es sich bei der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS um den größten Bankendeal seit 2008 und um die erste Fusion zweier als systemrelevant eingestufter Geldhäuser handelt. Die Botschaft lautete, dass die Integrationsrisiken so groß seien, dass jedes Managementrisiko um jeden Preis minimiert werden müsse.


   Nationalität mag bei Chefwechsel eine Rolle gespielt haben 

Einen weiteren Grund "am Rande", so Kelleher, spielte die Nationalität. Ermotti ist Schweizer, Hamers Niederländer. Die Übernahme der Credit Suisse ist in der Schweiz wegen der Größe des entstehenden Instituts umstritten. Um das Geschäft abzuschließen, wurde auf kartellrechtliche Vorschriften verzichtet. Und sollte die UBS jemals in schweres Fahrwasser geraten, wird es keine Fusion innerhalb der Schweiz mehr geben, um sie heraus zu navigieren. Da das Bankgeschäft wieder politisch wird, könnte es für die UBS hilfreich sein, einen Einheimischen an der Spitze zu haben.

Die Anleger scheinen sich einig zu sein, dass die UBS ein hohes Risiko eingeht. Der Kontrast zur Übernahme der Silicon Valley Bank (SVB) durch First Citizens Bancshares ist frappant. In finanzieller Hinsicht haben die Transaktionen viele Gemeinsamkeiten. Beide Käufer erhalten viel Buchwert praktisch kostenlos. Die UBS gab an, dass ihr materieller Buchwert pro Aktie unter Berücksichtigung der Transaktion um 74 Prozent höher wäre, während der Wert von First Citizens nach Berechnungen eines Analysten um 89 Prozent höher rangierte. Doch während die First-Citizens-Aktie als Reaktion auf die Übernahme um 54 Prozent kletterte, ging es mit der UBS-Aktie seit der Zustimmung zur Übernahme der Credit Suisse auf Berg- und Talfahrt.


   Neuer UBS-Chef steht vor Mammutaufgabe 

Der Zusammenschluss zweier mittelgroßer Kreditinstitute ist zugegebenermaßen einfacher als die Aufgabe, die die UBS zu bewältigen hat. Auch haben die UBS-Anleger nach den fetten Kapitalrenditen unter Hamers nicht mit so einem Schritt gerechnet, während das Managementteam von First Citizens für seinen Opportunismus bekannt ist. Dennoch unterstreicht der Vergleich den enormen Wert der UBS-Aktie, wenn es ihr gelingt, die Credit Suisse zu integrieren, ohne kluge Köpfe zu verlieren, Leichen in der Investmentbank zu finden und ihre hart erarbeitete Kultur der Vorsicht zu gefährden. Die Chancen, dass dies gelingt, mögen unter Ermotti etwas höher sein, aber die Anleger trauen der UBS-Aktie immer noch nichts zu. Sie legte zuletzt mehr oder weniger im Gleichschritt mit anderen europäischen Banken zu.

Was könnte daran etwas ändern? Die Rückzahlung von Barmitteln an die Aktionäre wäre ein deutliches Zeichen dafür, dass die UBS mit dem Kauf nicht einfach nur Kapital vernichtet. Aber es sind erst noch viele Schritte der Bank vonnöten, nicht zuletzt um zu vermeiden, dass sie sich in der Schweizer Politik verzettelt. Die UBS steht am Anfang einer weiteren langen Reise unter dem neuen, alten starken Mann Ermotti.

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March 29, 2023 09:31 ET (13:31 GMT)