Wien/Düsseldorf (Reuters) - Das wochenlange Ringen um eine Rettung des Immobilien-Imperiums von Rene Benko vor der Insolvenz war vergebens: Die Innsbrucker Signa Holding des österreichischen Investors kündigte am Mittwoch an, ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung beim Handelsgericht in Wien zu beantragen.
"Ziel ist eine geordnete Fortführung des operativen Geschäftsbetriebs und die nachhaltige Restrukturierung des Unternehmens", hieß es in der Mitteilung. Das Gericht müsste dann entscheiden, ob es diese Form der Insolvenz zulässt. Signa gehören neben prestigeträchtigen Immobilien in Österreich, Deutschland, der Schweiz, Großbritannien und den USA auch der Warenhausriese Galeria und Anteile an der Handelsgruppe Globus.
Signa ist das bisher größte Opfer des jähen Absturzes am Immobilienmarkt. In Benkos verschachteltem Firmennetz stecken nach Signa-Angaben Vermögenswerte von 27 Milliarden Euro. Die steigenden Zinsen trafen den Tiroler Investor doppelt, weil er die Immobilien mit milliardenschweren Krediten finanziert hat. Zugleich gerieten die Preise am Immobilienmarkt unter Druck. Signa sprach von "externen Faktoren", die sich negativ auf das Geschäft ausgewirkt hätten. Nach einer Studie der Investmentbank JPMorgan summierten sich die Schulden allein der zwei größten Immobilien-Töchter Signa Prime Selection und Signa Development Selection Ende 2022 auf 13 Milliarden Euro. Davon seien 7,7 Milliarden Kredite gewesen, von denen gut die Hälfte zu variablen Zinsen abgeschlossen worden waren.
Die rund 120 Banken, die Benko Geld geliehen hatten, hatten sich zwar auf ein Stillhalteabkommen verständigt, um Signa nicht ins Kippen zu bringen. Letztlich fehlten Signa aber kurzfristig rund 400 Millionen Euro, um die laufenden Kosten etwa für Löhne oder die Baustellen zu decken, wie ein Insider sagte. "Trotz erheblicher Bemühungen in den letzten Wochen konnte die erforderliche Liquidität für eine außergerichtliche Restrukturierung nicht in ausreichendem Maße sichergestellt werden", räumte Signa ein. Bei fünf großen Bauprojekten, allen voran dem 64-stöckigen "Elbtower" in Hamburg, in München, Berlin und Düsseldorf waren die Arbeiten schon ins Stocken geraten, weil die Baufirmen kein Geld mehr sahen.
Nun gehe es darum, zusammen mit einem Sanierungsverwalter die Verbindlichkeiten neu zu ordnen und die Werthaltigkeit der Beteiligungen zu sichern, erklärte Signa.
BANKEN MÜSSEN BANGEN
Zu den größten Kreditgebern von Signa gehören die Schweizer Bank Julius Bär, die ein Engagement von mehr als 600 Millionen Franken eingeräumt hat, und die Raiffeisen Bank International (RBI). Deren Chef hatte ein Risiko von 755 Millionen Euro genannt, bei dem es Insidern zufolge ebenfalls um Signa ging. Auch der zur italienischen Unicredit gehörenden Bank Austria schuldet Signa Geld. Deutsche Landesbanken wie die Helaba und die BayernLB stehen mit dreistelligen Millionensummen im Feuer.
Ob und wie viel sie nun abschreiben müssen, hängt davon ab, womit ihre Kredite besichert sind. Einige dürften ihre Ansprüche nun mit Abschlägen an Hedgefonds verkaufen, sagte ein Insider. In einem österreichischen Sanierungsverfahren muss für die Gläubiger mindestens eine Quote von 30 Prozent herausspringen.
Wichtig sei, dass die Investoren, vor allem der Banken-Sektor, stabil seien, sagte der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). Er ging auf Distanz: "Derjenige hinter dieser Investitionsfirma wird immer wieder mit uns in Zusammenhang gebracht, obwohl er nicht der Volkspartei gespendet hat." Benko hatte jahrelang beste Kontakte in die österreichische Politik gepflegt.
DAS LANGE SCHWEIGEN
Druck auf Benko hatten zuletzt die Miteigentümer der Signa Holding ausgeübt. Dem Tiroler Bauunternehmer Hans-Peter Haselsteiner (Strabag) gehören 15 Prozent der Anteile, dem Eigentümer der Tierfutterkette Fressnapf, Torsten Töller, 4,5 Prozent. Bei Tochterfirmen sind der deutsch-schweizerische Investor Klaus-Michael Kühne (Kühne + Nagel) und die RAG-Stiftung engagiert. Haselsteiner hatte Benko schon vor Wochen gedrängt, die Führung abzugeben. Medienberichten zufolge verhandelte der 46-Jährige aber bis zuletzt selbst mit möglichen Investoren. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Spiegel" erwägen erste Geldgeber Strafanzeigen gegen den Firmengründer. Die desolate Lage sei absehbar gewesen, daher gebe es "Zeichen für eine Insolvenzverschleppung", argumentierten die Investoren. Der österreichische Kreditschutzverband von 1870 (KSV1870) erklärte, Signa habe durch das lange Schweigen massiv an Vertrauen eingebüßt.
Der Insolvenz-Spezialist Arndt Geiwitz, der zuvor Galeria saniert hatte, blieb in einer Beraterrolle, anstatt operativ tätig zu werden. Signa machte die Expansion in den stationären Handel für die Schieflage mitverantwortlich: "Die Investitionen in diesem Bereich haben nicht den erwarteten Erfolg gebracht." Dazu sei die Krise im Immobiliensektor gekommen, hieß es in der Mitteilung.
Galeria hatte zweimal ein Schutzschirmverfahren durchlaufen und in der Corona-Krise 680 Millionen Euro vom deutschen Staat bekommen. Die Warenhauskette aus Kaufhof und Karstadt steht vor dem Weihnachtsgeschäft. Die Einnahmen daraus dürften vorerst für die nötige Liquidität sorgen. "Aber danach, sobald die neue Ware bestellt werden muss, kann es schnell schwierig werden", sagte Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein der "WirtschaftsWoche". Signa hatte Galeria 200 Millionen Euro Kapital in Aussicht gestellt - das Geld dürfte nun ausbleiben. Im Gegenzug könnte Galeria die Mieten für die Warenhäuser kürzen, die Signa gehören.
Ob und wann weitere Signa-Gesellschaften in die Insolvenz rutschen, ist unklar. "Aus heutiger Sicht ist nicht seriös einschätzbar, ob weitere Gesellschaften der Signa-Gruppe einen Insolvenzantrag stellen werden und es zu einem Dominoeffekt kommen wird", sagte Karl-Heinz Götze, der Chef des Bereiches Insolvenzen im KSV1870. Allein in Österreich gibt es 36 Signa-Beteiligungen. Am Donnerstag wird eine Anleihe der Tochter Signa Prime über rund 200 Millionen Euro fällig. Einem Insider zufolge versucht die Gesellschaft, in Gesprächen mit Investoren liquide Mittel zu sichern. Es sei aber offen, ob dies gelingen werde.
(Mitarbeit von Emma-Victoria Farr. Geschrieben von Alexander Hübner, redigert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)
- von Alexandra Schwarz-Goerlich und Matthias Inverardi