BERLIN (Dow Jones)--Die Börsenmeldung, die am Montagabend um 19 Uhr versendet wurde, dürfte sowohl Analysten als auch langjährige Mitarbeiter überrascht haben. Der finnische Energiekonzern Fortum setzt das Top-Management bei seiner Düsseldorfer Tochter Uniper ab: Vorstandschef Andreas Schierenbeck und Finanzchef Sascha Bibert müssen gehen, an ihre Stelle kommen der bisherige Uniper-Aufsichtsratschef Klaus-Dieter Maubach und als CFO die Finnin und Fortum-Managerin Tiina Tuomela. Die Mitarbeiter, von denen sich noch einige an die Tage des zähen Übernahmekampfes mit den Finnen erinnern, wurden zum Teil erst am heutigen Dienstag persönlich über die Vorgänge informiert.

Der Helsinki-Coup dürfte noch für einige Verärgerung in dem MDax-Unternehmen sorgen. Denn eigentlich ist Schierenbecks Bilanz keine schlechte: Er war erst im Juni 2019 auf den Posten gekommen - sein Vorgänger Klaus Schäfer hatte die Fortum-Übernahme noch massiv bekämpft und mehrere Top-Manager hatten das Unternehmen verlassen. Schierenbeck aber gelang es, intern die Wogen zu glätten und auch einen Draht zu den Finnen aufzubauen. Mehr noch, er steuerte die Uniper SE überaus erfolgreich durch die Corona-Krise: Für 2020 lag das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) mit 998 Millionen Euro am oberen Rand der ausgegebenen Prognose von 800 Millionen bis 1 Milliarde Euro. Von dem guten Ergebnis profitierte letztlich auch Fortum, das seinen Anteil an der Tochter zuletzt auf bis zu 75 Prozent erhöht hatte.

Das aber schien nicht genug: Dass die Spannungen zwischen Düsseldorf und der Konzernzentrale in Espoo nahe Helsinki andauern, wurde zwischen den Zeilen bereits bei der Jahresbilanz deutlich - auch wenn die Manager stets Gegenteiliges beteuerten. So erklärte Uniper, die Dividendenpolitik für das Geschäftsjahr 2021 "zu einem späteren Zeitpunkt" zu kommunizieren. Fortum-Chef Markus Raumaro erklärte Mitte März, dass das Unternehmen seinen Dividendenvorschlag üblicherweise erst kurz vor der Hauptversammlung bekanntgebe. Dagegen legte Uniper zuvor seine Empfehlung immer zur Jahresbilanz vor.

Auch sonst verlief die Kommunikation aus Finnland zuletzt nur sehr zugeknöpft. Während Uniper während seiner Bilanzen stets eine Analysten- und eine Pressekonferenz ansetzt, gibt es für Journalisten bei einer gemeinsamen Runde nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten für Nachfragen. Als am gestrigen Montagmorgen in Finnland noch der Aufsichtsrat tagte, ließ Fortum seine kurze Mitteilung, dass Klaus-Dieter Maubach seinen Posten im Kontrollgremium des Staatsversorgers aufgebe, zunächst auch auf Nachfragen unbegründet und ließ den Markt stundenlang rätseln.

Eine konkrete Begründung für den Schritt lieferte Fortum auch am Abend nicht, deutete aber an, mit der Umsetzung der gemeinsamen Strategie unzufrieden zu sein. Während beide Seiten noch beim Kapitalmarkttag am 3. Dezember 2020 beteuert hatten, beim "Alignment" voranzukommen, erklärte Fortum-Chef Raumaro nun, man müsse angesichts des "sehr wettbewerbsintensiven Umfeld" bei der Umsetzung der Konzernstrategie "entschlossen, effizient und schnell handeln". Daher würden nun "konkrete Schritte in Richtung einer wesentlich stärker integrierten Zusammenarbeit" eingeleitet. Der neue Uniper-CEO Maubach sekundierte, man werde die gemeinsam vereinbarte Strategie "noch schneller in die Tat umsetzen und unsere Zusammenarbeit intensivieren".

Das muss nicht unbedingt schlecht sein. So ist Fortum etwa beim Klimaschutz etwas ambitionierter, während Uniper noch viel nachzuholen hat: sei es seine fossile Flotte in Russland oder das gegen sämtliche Widerstände durchgedrückte Kohlekraftwerk Datteln 4.

Aber nicht alle Anleger dürfte diese Strategieumarmung erfreuen. Der bisherige Uniper-Vorstand habe bislang schließlich auch die Interessen anderer Aktionäre berücksichtigen müssen, mahnte der Vorstandsvorsitzende der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, Daniel Bauer, auf Anfrage von Dow Jones Newswires. "Diese können durchaus von den individuellen Interessen des Großaktionärs abweichen." Wenn Fortums seine eigene Agenda durchsetzen wolle, die dann eventuell für den Streubesitz nachteilig wäre, müsste der Konzern einen Beherrschungsvertrag abschließen, so Bauer. "Das sollte Fortum hier in Erwägung ziehen."

Möglicherweise tut der Konzern dies längst - zumindest haben sich die Finnen die Tür dafür einen Spalt weit offen gelassen. Fortum bestätigte am Montag lediglich seine Zusage, bis Ende 2021 auf einen Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrag mit Uniper sowie auf einen Squeeze-Out zu verzichten. "Für die Zeit danach ist noch keine Entscheidung gefallen", hieß es. Das Signal für den Komplettdurchgriff 2022?

Mit dem neuen Uniper-Chef hätte Fortum zumindest einen, der beide Seiten gut kennt: Klaus-Dieter Maubach war bis zuletzt Aufsichtsrat bei Fortum und sollte dort eigentlich sogar zum Vize-Vorsitzenden ernannt werden. Zugleich war er seit einem Jahr Uniper-Aufsichtsrat. In Düsseldorf schätzt man, dass er als einstiger Technikchef von Eon - aus dem Uniper hervorging - zumindest ein erfahrener Energiemanager ist. Seine Aufgabe, die Spannungen zu glätten, dürfte dennoch riesig werden.

Kontakt zur Autorin: petra.sorge@wsj.com

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March 30, 2021 11:07 ET (15:07 GMT)