Von Jon Sindreu

CHICAGO (Dow Jones)--Airline-Aktien sind eine Wette auf den Sommerreiseboom. Die Wette könnte aufgehen, denn schließlich haben die Menschen ein Jahr oder länger zuhause verbracht. Andererseits macht der Pandemieverlauf den Anlegern bislang nur wenig Hoffnung.

Die Aktien von United Airlines fielen am Donnerstag im frühen Handel um sechs Prozent und zogen die Mitbewerber ebenfalls nach unten. Die in Chicago ansässige Fluggesellschaft hatte am Mittwoch einen Nettoverlust von 1,9 Milliarden US-Dollar für das vierte Quartal 2020 gemeldet und schätzte, dass der Umsatz im ersten Quartal 2021 um 65 bis 70 Prozent niedriger sein wird als im gleichen Zeitraum des Jahres 2019.

Bei Lufthansa sieht es nicht besser aus. Ende 2020 hatte der Konzern berichtet, in jenem Jahr habe das Unternehmen "zwei Drittel des Umsatzes verloren", auf der Haben-Seite steht, dass Lufthansa die Kosten um die Hälfte senken konnte.


   Geschäftsreisen-Segment wird sich nicht so schnell erholen 

Die schlimmen Zahlen bei den Airlines kommen nicht überraschend. Selbst in normalen Zeiten haben Fluggesellschaften in den Wintermonaten Schwierigkeiten, Gewinne zu machen. Nach einem kurzen Winterurlaub bleibt der Verkehr inmitten der anhaltenden Covid-19-Pandemie weiterhin gedrückt. Auch wird es voraussichtlich noch Jahre dauern, bis sich das Segment der Geschäftsreisen wieder erholt hat. Eine Gesellschaft wie United, die stark in diesem Bereich agierte, spürt das besonders.

Ein Teil der beträchtlichen Gewinne, die Aktien von Fluggesellschaften zum Jahreswechsel verzeichneten, ist nun wieder futsch. Noch in der vergangenen Woche hatte Delta Air Lines angedeutet, dass es bereits in diesem Sommer einen Boom bei Urlaubsreisen geben könnte. "Besuche auf den digitalen Kanälen von Delta übertreffen das Passagieraufkommen, das wir derzeit befördern, erheblich", sagte CEO Ed Bastian und fügte hinzu, dass Inhaber der American-Express-Karte von Delta ihre Punkte behalten, um sie für Flugreisen im Jahr 2021 einzulösen. Eine am Mittwoch veröffentlichte Umfrage von Jefferies ergab, dass 80 Prozent der Amerikaner, die 2019 geflogen sind, dies auch in diesem Jahr wieder planen, die meisten davon im Sommer.

Diese These der "aufgestauten Nachfrage" ist der Hauptgrund für den Kauf von Carrier-Aktien. Nach einer Rallye in den letzten drei Monaten sind sie kein Schnäppchen mehr. Lufthansa-Aktien notieren bei 10 Euro. Analysten von Davy billigen ihnen aber nur ein Kursziel von 6 Euro zu.

Der Stifel-Analyst Joseph DeNardi wagte in dieser Woche die Behauptung, dass Covid-19 langfristig sogar freizeitorientierten Fluggesellschaften helfen könne, weil sich "eine Zeit erhöhter Nachfrage nach Flügen ähnlich der Babyboom-Phase nach dem Zweiten Weltkrieg" anschließe.

Scott Kirby, CEO von United, stimmte am Donnerstag zu, dass es viele Hinweise auf eine enorm aufgestaute Nachfrage und einen steilen Verlauf der Kurve gebe. Allerdings sei er wenig optimistisch, dass dies bereits im kommenden Sommer geschehen werde.


   Buchungen immer kurzfristiger 

Damit hat er die Anleger wahrscheinlich enttäuscht. Wer auf Unterstützung durch den Sommer setzt, sollte vorsichtig sein. Erst einmal muss die Zahl der Buchungen steigen. Vor Covid-19 wurden 70 Prozent der Tickets spätestens 90 Tage vor Abflug gekauft. Die Nachfrage nach Ferienflügen im Frühling spülte Geld schon im Januar in die Kassen, bei den Sommerflügen war dies um Ostern der Fall. Heute wird zwei Wochen vor Abflug gebucht. Also wird eine Erholung wahrscheinlich nicht lange im Voraus erkennbar sein.

Die besagte Umfrage von Jefferies ergab außerdem, dass nur 21 Prozent der Befragten planen, 2021 mehr zu fliegen als im Jahr 2019. 32 Prozent planen, weniger zu fliegen. Selbst wenn man noch weiter in die Zukunft schaut, ist ein Boom noch keine ausgemachte Sache.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Erwartung eines Nachfrage-Anstiegs die Airline-Branche in ihrem mörderischen Wettbewerb dazu veranlassen könnte, zu viele Sitzplätze anzubieten, wodurch die Tarife gedrückt und die Chancen verringert werden, dass das dritte Quartal rentabel wird. Die Sommersaison 2020 hat gezeigt, dass die Sonnenhungrigen sehr schnell wieder zur Stelle sind, wenn die Beschränkungen gelockert werden, aber auch, dass die Ticketpreise in Zeiten der Unsicherheit extrem niedrig sind.

Ein Anstieg der Urlaubsreisen nach der Pandemie ist eine Möglichkeit, die Anleger in Betracht ziehen können. Aber wie der Chef von United am Donnerstag treffend sagte: "Hoffnung ist keine Strategie." Momentan lohnt es sich eher, die nackten Zahlen vor die Hoffnung zu setzen.

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January 22, 2021 03:50 ET (08:50 GMT)