(Zahl im 6. Absatz korrigiert)

BERLIN (dpa-AFX) - Zwei bis dreimal so viele Windräder, näher an Wohngebieten, in Landschaftsschutzgebieten und zunehmend in Wäldern - das sind die Folgen der Gesetzesvorhaben, mit denen die Bundesregierung Bremsen für einen deutlich schnelleren Ausbau der Windkraft lösen will. Das Ziel: Klimaschutzziele erreichen und unabhängiger vor allem von russischem Gas werden. Der Druck auf die Länder steigt, mehr Flächen für Windräder zur Verfügung zu stellen.

Die Bevölkerung muss dafür einen Preis zahlen. Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) sagte am Mittwoch in Berlin, er wolle nicht verhehlen, dass ein stärkerer Ausbau der Windkraft für viele Menschen und einige Regionen auch eine "Zumutung" bedeute. Die Gesetzespläne würden Widerstände, Ängste und Sorgen auslösen. "Auf die muss man eingehen. Das heißt Kommunikation, und das Begründen, warum das notwendig ist, darf nicht erlahmen." Vielerorts gibt es Bürgerinitiativen gegen Windräder.

Das "Ob" aber ist für Habeck nicht verhandelbar. Die Sorgen dürften nicht zu einer politischen Handlungsunfähigkeit führen, wie dies in der Vergangenheit teilweise der Fall gewesen sei - der Bau von neuen Windrädern geriet in den vergangenen Jahren ins Stottern.

Damit soll nun Schluss sein, obwohl es dauern wird, bis die Maßnahmen wirken. Zentral ist, dass die Bundesregierung für die Windkraft an Land gesetzlich verpflichtende Flächenziele vorgeben will. Bis 2026 sollen 1,4 Prozent, bis 2032 dann 2 Prozent der Bundesfläche für Windräder verfügbar sein. Diese Ziele werden bisher in den meisten Ländern bei weitem nicht erreicht - die Spanne liegt in den Flächenländern zwischen Schleswig-Holstein mit rund 2 Prozent und Baden-Württemberg mit 0,2. Für die einzelnen Länder gelten unterschiedliche Ziele, weil es unterschiedliche Voraussetzungen für den Ausbau der Windenergie gibt. Zum anderen soll durch Änderungen im Bundesnaturschutzgesetz der Konflikt zwischen dem Ausbau der Windkraft und dem Artenschutz beigelegt werden.

Die Bundesregierung habe versucht, "sämtliche Hemmnisse" bei der Windkraft auszuräumen, sagte Bauministerin Klara Geywitz (SPD). Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sprach von einem Ausgleich zwischen Windkraft und Naturschutz. Die Debatte allerdings geht weiter. Naturschützer warnen, Regelungen zum Artenschutz dürften nicht aufgeweicht werden. Energieverbände dagegen fordern noch klarere Regeln - dafür, wo eine Windenergieanlage ohne Auswirkungen auf Vögel errichtet werden können soll und wo nicht.

Daumenschrauben will der Bund den Ländern bei pauschalen Regeln zum Mindestabstand von Windrädern zu Wohngebieten ansetzen: Werden die Flächenziele nicht erreicht, sollen strenge Abstandsregeln gekippt werden. Rund 30 000 Windräder gibt es derzeit in Deutschland - bis 2030 werde man eine Zahl haben, die zwischen Verdoppelung und Verdreifachung liege, rechnete Habeck vor. Dabei sei berücksichtigt, dass alte durch leistungsstärkere Windräder ersetzt würden.

Eine Zahl, die für viele Windkraftgegner eine Horrorzahl sein dürfte. Die Bürgerinitiative "Vernunftkraft" kritisierte, die Regierung wolle mehr Windkraft "mit der Brechstange". Der Schutz von Gesundheit und Lebensqualität der vom Windkraftausbau betroffenen Menschen sowie von Naturräumen, Arten und Landschaften solle massiv ausgehöhlt werden.

Habeck aber hatte eine deutliche Botschaft: Deutschland könne Ziele zur Senkung von CO2-Emissionen nur durch einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien schaffen. Denn auch die Mobilität werde zunehmend elektrisch, dazu kämen etwa Wärmepumpen im Gebäudebereich. "Wenn wir also ernst nehmen, was beschlossen ist, dann heißt das: Wir brauchen mehr erneuerbare Energien", sagte Habeck. "Wenn man das nicht will, dann sagt man: Wir wollen nicht die Klimaschutzziele der Bundesregierung. Mir fällt kein dritter Weg ein, da rauszukommen." So viel alternative Energien wie Wasserstoff könne man gar nicht importieren. Wer sage, er wolle Klimaschutz, aber keinen Ausbau von erneuerbaren Energien, "verlässt jede Rationalität und Logik", sagte der Minister.

Er wies außerdem auf die wirtschaftliche Bedeutung der Windkraft hin. Es sei mittlerweile ein Standortvorteil für Unternehmen geworden, erneuerbare Energien zu haben. Und viele Waldgebiete seien unter Borkenkäfern und Trockenheit kaputtgegangen, dort könnten nun Windräder gebaut werden - mit den Erträgen könne der Wald wieder aufgeforstet werden. "Ja, Windkraftanlagen verändern die Landschaft", sagte Habeck. Aber sie führten auch zu mehr Wertschöpfung - Kommunen hätten dann mehr Geld, könnten Schulen oder Turnhallen sanieren und soziale und kulturelle Einrichtungen betreiben./hoe/DP/nas