St. Gallen/Melbourne (awp) - Nur knapp zwei Wochen nach dem Aufflammen von Marktgerüchten haben Vifor Pharma und das australische Biotechunternehmen CSL Fakten geschaffen. Für knapp elf Milliarden Franken wollen die Australier Vifor schlucken. Ein Interesse wird den Australiern aber schon länger nachgesagt.

Damit würde das Pharmaunternehmen Vifor seine Eigenständigkeit nach nicht einmal fünf Jahren bereits wieder verlieren. Im Frühjahr 2017 wurde Vifor vom Galenica-Konzern abgespalten und an die Börse gebracht. Übernommen hatte Galenica die Vifor Ltd. bereits 1977 und schliesslich zu einem grossen Hersteller von Eisenpräparaten sowie Mittel gegen Nierenleiden aufgebaut.

Nun will CSL die Gesellschaft übernehmen: Die Australier bieten laut Mitteilung vom Dienstag 179,25 US-Dollar je Vifor-Aktie, was umgerechnet etwa 167 Franken je Titel entspricht. Am gestrigen Montag schlossen Vifor bei 140,30 Franken.

Zur Erinnerung: Anfang Dezember kamen Spekulationen um ein Interesse der Australier auf. Die Vifor-Anteile verteuerten sich in der Folge um satte 35 Prozent. CSL vergleicht seine Offerte daher mit dem "unbeeinflussten" Kurs vom 1. Dezember. Hiermit verglichen offeriere man eine Prämie von 61 Prozent, hiess es.

Höhe der Offerte nicht nachvollziehbar

In Analystenkreisen können nicht alle den hohen Preis nachvollziehen. Zwar betonte das CSL-Management im Call mit Analysten, man sei an Vifor nicht wegen möglicher Kosteneinsparungen interessiert, sondern aus strategischen Gründen. "Aber genau das lässt sich aktuell nur schwer nachvollziehen", betonte etwa Vontobel-Analyst Stefan Schneider im Gespräch mit AWP.

"Bei Vifor hat es in letzter Zeit mehr Probleme als Erfolgsmeldungen gegeben", so der Experte weiter. Tatsächlich sind die letzten Jahre nicht gerade von Erfolg gekrönt gewesen.

Da wäre der Hoffnungsträger Veltassa. Noch im Vorfeld der Aufspaltung 2017 hatte Galenica den US-Konzern Relypsa übernommen, um mit Veltassa das Produktportfolio von Vifor Pharma zu stärken. Das Mittel wird zur Senkung des Kaliumspiegels im Blut eingesetzt. Ein potenzielles Milliarden-Produkt, prophezeite das Management. Zuletzt musste man diese Erwartungen aber deutlich zurückschrauben auf bestenfalls eine halbe Milliarde.

Doch nicht nur das. Alleine in den letzten Monaten machte Vifor vor allem in puncto Produkt-Pipeline mit einem Flop nach dem anderen von sich reden.

Hoffen auf Milliardenmarkt

Die Australier scheint das alles nicht weiter zu stören. Vielmehr verspricht sich der CSL-Chef Paul Perreault Zugang zu einem Milliardenmarkt. Denn in den USA dürfte sich dem Manager zufolge der Markt für Nierenleiden von 13 Milliarden US-Dollar im Jahr 2020 bis 2026 auf mehr als 25 Milliarden US-Dollar in etwa verdoppeln.

Daran könne CSL dank der Übernahme von Vifor aktiv teilhaben, fuhr Perreault fort. Vifor Pharma ist nicht zuletzt über sein Gemeinschaftsunternehmen mit Fresenius Medical Care stark in der Behandlung von Nierenleiden und Dialyse-Patienten vertreten. Doch gerade in der Pandemie hat dieses Geschäft zuletzt stark gelitten.

Und auch beim dritten Standbein, den Eisenpräparaten, drohen Ungewissheiten. Wie Vontobel-Analyst Schneider in Erinnerung ruft, hat Vifor hier derzeit mit Patentstreitigkeiten für sein Vorzeigemittel Injectafter/Ferinject zu kämpfen.

Bei der CSL ist man nicht beunruhigt. Das Übernahmeangebot soll um den 18. Januar 2022 starten und die Transaktion könnte bis Mitte 2022 zum Abschluss kommen. Voraussetzung dazu ist, dass mindestens 80 Prozent aller Vifor-Titel angedient werden. Dank der Zusage des grössten Vifor-Aktionärs, dem Investor Martin Ebner, sind CSL auf jeden Fall dessen 23,2 Prozent sicher.

hr/mk