WOLFSBURG (awp international) - Wenige Wochen vor den neuen Beschlüssen zu den Investitionen der kommenden Jahre bei Volkswagen gewinnt die Debatte über die künftige Auslastung des Stammwerks Wolfsburg an Schärfe. Konzernchef Herbert Diess habe das Thema in der September-Sitzung des Aufsichtsrats zur Überraschung etlicher Kontrolleure offensiv angesprochen, hiess es am Mittwoch aus Unternehmenskreisen. Dabei soll er auch ein Szenario vorgetragen haben, was passieren könnte, falls etwa die Lieferkrise bei Elektronikchips länger anhalten sollte oder man die Terminierung wichtiger Zukunftsprojekte von VW überdenken müsse. Das "Handelsblatt" hatte zuvor darüber berichtet.

Europas grösster Autohersteller hat an seinem Hauptsitz zurzeit einen erheblichen Leerlauf. Mehrfach musste Kurzarbeit für Zehntausende Beschäftigte verlängert werden, weil hier - wie bei anderen Anbietern - Halbleiter fehlen. Auch unabhängig von den akuten Engpässen gibt es in Teilen der Belegschaft Sorgen um eine ausreichende Werkbelegung in den kommenden Jahren. Der Betriebsrat forderte unter anderem schon, neben dem ab 2025/2026 geplanten Projekt "Trinity" mindestens ein weiteres Elektromodell in der Konzernzentrale anzusiedeln.

"Die schwierige Lage im Werk Wolfsburg bildet einen klaren Schwerpunkt der laufenden Beratungen für die diesjährige Planungsrunde", sagte Betriebsratschefin Daniela Cavallo kürzlich. Bis Mitte November sollen konkrete Entscheidungen zu Modellen und Standorten im globalen VW-Produktionsnetz fallen. Beim jüngsten Treffen der Aufseher soll es laut dem Bericht erneut zu Irritationen zwischen Diess und Mitgliedern des Gremiums gekommen sein.

Grundsätzlich haben Belegschaftsvertretung und Firmenleitung in dem Punkt dasselbe Ziel: Möglichst bald sollen weitere E-Modelle folgen, auch angesichts der steigenden Konkurrenz durch den US-Rivalen Tesla mit dessen neuem Werk in Grünheide bei Berlin. Einen offenen Konflikt wie Mitte 2020, als Diess heftig mit dem damaligen Betriebsratschef Bernd Osterloh aneinandergeraten war, habe es aber zuletzt nicht gegeben, hiess es aus dem Umfeld mehrerer Beteiligter./jap/DP/men