Von Stephen Wilmot

NEW YORK (Dow Jones)--Nicht nur E-Autos haben in China einen rasanten Aufschwung erlebt, sondern auch die Konkurrenz. Mit diesem Problem sehen sich auch Anleger konfrontiert, wenn sich in New York die neuesten Elektrofahrzeugmarken mit ihren Wachstumsaussichten vorstellen. Zurzeit befindet sich Lotus Technology in der Schlussphase einer Fusion mit eines an der Nasdaq notierten speziellen Übernahmevehikels (Spac), die das Unternehmen mit 5,5 Milliarden US-Dollar bewertet. Investoren sollen 870 Millionen Dollar zugesagt haben, ein Schritt in Richtung Abschluss. Die Zeekr Intelligent Technology Holding, die im Februar Geld einsammelte und auf eine Bewertung von 13 Milliarden Dollar kam, reichte Anfang des Monats ihren Antrag für eine Börsennotierung in den USA ein.

Beide Unternehmen haben ihren Ursprung in Li Shufus Autoimperium Geely, das im Westen vor allem für die Wiederbelebung der schwedischen Marke Volvo bekannt ist. Zeekr begann als gehobene Elektroauto-Tochter von Lis chinesischem Autohersteller Geely Auto, bevor es 2021 in ein eigenes Unternehmen ausgegliedert wurde. Lotus ist ein noch jüngerer, luxuriöser Ableger der gleichnamigen britischen Rennwagenmarke, an der die Geely-Holding 2017 eine Mehrheitsbeteiligung erwarb.

Entgegen des derzeitigen Trends zur Kapitalbeschaffung in Hongkong wagen sich mit Zeekr und Lotus damit wieder Elektroauto-Startups auf den US-Markt. Den Weg dorthin geebnet hatte Nio mit seiner Notierung von American Depositary Receipts im Jahr 2018, gefolgt von XPeng und Li Auto im Jahr 2020. Doch als sich die geopolitischen Spannungen zwischen China und den USA verschärften, suchten alle drei Unternehmen ihr Heil in einer Zweitnotierung in Hongkong. Als das Startup Leapmotor vergangenes Jahr an die Börse ging, steuerte es direkt das asiatische Finanzzentrum an. Der chinesische Marktführer BYD ist seit 2002 in Hongkong börsennotiert, allerdings war BYD damals noch ein reines Batterieunternehmen.

Der global denkende Li scheint darauf zu setzen, dass China und die USA weiter zusammenarbeiten werden. Denn im Unterschied zu den meisten chinesischen Elektroauto-Startups wollen Zeekr und Lotus aus ihrer US-Börsennotierung Kapital schlagen und sich in den USA etablieren. So peilt Lotus den Verkauf von 9.000 Fahrzeugen in den USA im nächsten Jahr und 20.000 im darauffolgenden Jahr an. Zeekr soll zunächst in Europa auf den Markt kommen, bevor es die USA in Angriff nimmt. Zudem hat das Unternehmen einen Vertrag über die Lieferung von speziell angefertigten autonomen Taxis an das Waymo-Geschäft von Alphabet an Land gezogen.

Diese internationale Aufstellung scheint zum Teil eine Absicherung gegen das brutale Marktumfeld in China zu sein, wo Tesla Ende vergangenen Jahres einen Preiskrieg losgetreten hat. Der Appetit der Verbraucher auf Elektroautos ist auf dem größten Automarkt der Welt groß, was durch die Preise begünstigt wird, die in den wichtigsten Preisklassen nun weitgehend mit denen von Benzinern vergleichbar sind. Allerdings haben sich so viele Unternehmen auf diese Gelegenheit gestürzt, dass es einen intensiven Wettbewerb gibt, der durch überschüssige Produktionskapazitäten noch zusätzlich angeheizt wird.

Wie so oft, wenn eine Technologie eine andere verdrängt, ist es auch auf dem chinesischen Elektroauto-Markt einfacher, Verlierer als Gewinner auszumachen, wie Eunice Lee, Aktienanalystin bei Bernstein, feststellt. In China sind die Verlierer die ausländischen Marken, die den schrumpfenden Markt für herkömmliche Autos immer noch dominieren, allen voran der langjährige Marktführer Volkswagen, aber auch Toyota und Nissan.

Der einzige klare Gewinner ist BYD, der es laut Bernsteins Analyse von Versicherungsdaten im Oktober auf einen Anteil von 34 Prozent an den chinesischen E-Auto-Verkäufen brachte. Die Größe, insbesondere im Batteriegeschäft, hat BYD solide profitabel gemacht, mit einem im Factset-Konsens erwarteten Nettogewinn von 4,2 Milliarden US-Dollar in diesem Jahr. Doch selbst die Wachstumsaussichten von BYD sind in diesem Jahr durch den Wettbewerb getrübt, und die Aktie ist in den letzten Tagen nach Berichten über Preisnachlässe stark gefallen.

Es gibt eine ganze Reihe von Unternehmen, die darum kämpfen, eine nachhaltige Größe zu erreichen. Trotz des rasanten Wachstums seit der Markteinführung des ersten Fahrzeugs im Jahr 2021 rangierte Zeekr im Oktober nur auf dem 16. Platz der größten Elektroauto-Marken in China. Das Unternehmen erzielte im dritten Quartal eine solide Bruttomarge von etwa 18 Prozent bei den Fahrzeugverkäufen und profitierte dabei von einem kapitalsparenden Modell, das die Produktionsanlagen von Geely nutzt. Aber Zeekr verliert immer noch Geld, weil es noch nicht genug Umsatz macht, um die Gemeinkosten zu decken.

Die Landschaft ähnelt in gewisser Weise der US-Autoindustrie in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, als Ford ein erfolgreicher Pionier der Großserienfertigung war, gefolgt von einer ganzen Reihe ums Überleben kämpfender Startups. Erst nach einigen Umwälzungen in der Branche in den 1920er Jahren taten sich Ford, General Motors und Chrysler als die "Großen Drei" hervor.

Eine ähnliche Umwälzung scheint in China noch in weiter Ferne zu liegen. Die finanziell angeschlagene WM Motor hat im vergangenen Monat eine Art Umstrukturierung vor dem Konkurs beantragt. Andere haben kürzlich frisches Geld eingesammelt, darunter XPeng von Volkswagen und Leapmotor von Stellantis. Nicht nur westliche Autokonzerne sind verzweifelt bemüht, im größten Rennen der Branche mitzuhalten, auch Chinas Regionalregierungen wollen wichtige lokale Arbeitgeber oft nicht scheitern lassen.

Trotz ihres Wachstumspotenzials sind Zeekr und Lotus zwischen einem überfüllten Heimatmarkt und geopolitischen Spannungen im Ausland gefangen. Investoren, die mit einem Einstieg liebäugeln, müssen sich auf viele Risiken einstellen.

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November 29, 2023 04:57 ET (09:57 GMT)