Wie jede gerichtliche Auseinandersetzung wäre die gerichtliche Geltendmachung der Ersatzansprüche gegen die in Anspruch genommenen Personen mit Prozessrisiken verbunden, die dazu führen können, dass die Ersatzansprüche nicht oder nicht in vollem Umfang zuerkannt werden. Die Gerichte hätten im Fall einer streitigen Auseinandersetzung zwischen der Gesellschaft und den in Anspruch genommenen Personen eine Reihe komplexer Sach- und Rechtsfragen zu entscheiden. Die in Anspruch genommenen Personen würden mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Vielzahl tatsächlicher und rechtlicher Einwände zur Abwehr der Ersatzansprüche erheben. Viele der hierdurch aufgeworfenen Rechtsfragen sind bislang weder instanzgerichtlich noch höchstrichterlich entschieden. Auch mit Blick auf eine etwaige gerichtliche Auseinandersetzung mit den Versicherern der VW D&O könnte nicht davon ausgegangen werden, dass die Versicherer der VW D&O die Ansprüche von Volkswagen anerkennen würden, ohne umfangreiche (rechtliche) Einwände vorzubringen. Rechtskräftige Entscheidungen in den gerichtlichen Verfahren wären zudem erst in vielen Jahren zu erwarten.

Eine gerichtliche Verfolgung der Ansprüche gegen Herrn Professor Dr. Winterkorn und Herrn Stadler sowie die übrigen in Anspruch genommenen Personen und die Versicherer der VW D&O würde dessen ungeachtet in jedem Fall erhebliche Kosten auf Seiten sämtlicher Verfahrensbeteiligten verursachen. Damit würde Volkswagen mit erheblichen Verfahrenskosten belastet. Zudem würden die Verfahrenskosten auf Seiten der in Anspruch genommenen Personen selbst im Falle eines Obsiegens die Volkswagen zur Verfügung stehende Haftungsmasse und damit mittelbar wiederum Volkswagen belasten. Bei einem vollständigen oder teilweisen Unterliegen müsste die Gesellschaft zusätzlich zu ihrem verbleibenden Schaden entstehende Verfahrenskosten vollständig oder teilweise selbst tragen. Durch den Abschluss der Vergleichsvereinbarungen noch vor Klageerhebung können die Kosten einer gerichtlichen Auseinandersetzung insoweit vermieden werden.

Zudem ist damit, anders als im Fall einer gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche, eine Realisierung der Ansprüche gegen Herrn Professor Dr. Winterkorn und Herrn Stadler sowie eine Inanspruchnahme der beteiligten Versicherer der VW D&O in beträchtlicher Höhe und ein zeitnaher Zufluss der Mittel an Volkswagen gesichert. Schließlich würden im Fall einer gerichtlichen Anspruchsverfolgung für einen beträchtlichen Zeitraum erhebliche personelle Ressourcen der Gesellschaft gebunden, die an anderer Stelle wirtschaftlich effizienter eingesetzt werden können.

Nach der Überzeugung von Aufsichtsrat und Vorstand ist nicht auszuschließen, dass ein öffentliches Gerichtsverfahren, in dem zeitlich zum Teil weit zurückliegendes Verhalten von Herrn Professor Dr. Winterkorn und Herrn Stadler öffentlich erörtert und bewertet wird, dem Ansehen von Volkswagen und des Volkswagen-Konzerns in der Öffentlichkeitschadet. Insoweit sehen Aufsichtsrat und Vorstand das Risiko, dass die erheblichen Leistungen und Erfolge von Volkswagen in den letzten Jahren in Sachen Compliance-Management nicht angemessen öffentlich wahrgenommen würden. Vielmehr könnten - auch aufgrund entsprechender negativer Presseberichterstattung über die Gerichtsverfahren - diese Erfolge durch das Fehlverhalten früherer Führungskräfte und Mitarbeiter in der Vergangenheit konterkariert werden. Eine solche Wahrnehmung könnte negative Auswirkungen auf die aktuelle Geschäftstätigkeit und Reputation der Gesellschaft sowie des gesamten Volkswagen-Konzerns haben, die es nach Auffassung von Volkswagen im Unternehmensinteresse zu vermeiden gilt.

Weiterhin würde das Wirksamwerden der Vergleichsvereinbarungen die rechtliche Situation von Volkswagen erheblich vereinfachen. Zwar beteiligt sich Berkshire Hathaway nicht am Deckungsvergleich und der Aufsichtsrat hat den Auftrag erteilt, gerichtliche Schritte gegen Berkshire Hathaway vorzubereiten. Eine Inanspruchnahme ist im Rahmen eines Schiedsverfahrens möglich. Abgesehen davon könnte sich Volkswagen aber in der Folge auf die Abwehr von Ansprüchen konzentrieren und sich in den noch laufenden Verfahren bestmöglich verteidigen.

Die Eigenbeiträge von Herrn Professor Dr. Winterkorn und Herrn Stadler tragen einerseits ihrer Verantwortung und dem Volkswagen entstandenen Schaden Rechnung, andererseits aber auch ihren Verdiensten um Volkswagen während ihrer langjährigen erfolgreichen Tätigkeit für den Konzern. Der Volkswagen-Konzern erwirtschaftete während der Zeit, in der Herr Professor Dr. Winterkorn Vorsitzender des Vorstands war, einen kumulierten Netto-Gewinn von rund EUR 75 Mrd. In dieser Zeit wurde zudem das internationale Geschäft, vor allem in der Volksrepublik China, maßgeblich profitabel erweitert und das für den Konzern bedeutende Nutzfahrzeuggeschäft strategisch weiterentwickelt. Die Kernmarke Volkswagen konnte ihren Premium-Anspruch im Volumen-Segment der Automobilbranche manifestieren. Herr Stadler schärfte in seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender von AUDI den Premium-Anspruch der Marke. In dieser Zeit wurden die Auslieferungen nahezu verdoppelt, der Nettogewinn mehr als verdoppelt. Zudem wurde mit dem Audi A8 das erste Serienauto der Welt speziell für hochautomatisiertes Fahren (Level 3) konzipiert und die Elektrifizierung der Modellpalette eingeleitet. Die von Herrn Professor Dr. Winterkorn und Herrn Stadler nach den Haftungsvergleichen geschuldeten Eigenbeiträge unterstreichen, dass Volkswagen pflichtwidriges Verhalten ihrer Organmitglieder nicht sanktionslos hinnimmt, sondern die pflichtwidrig handelnden Organmitglieder zur Rechenschaft zieht.

Der Verzicht auf mögliche Haftungsansprüche gegen die sonstigen versicherten Personen ist wiederum ohne wirtschaftliche Nachteile für die Gesellschaft, da nach dem Ergebnis der umfangreichen anwaltlichen Untersuchungen keine Schadensersatzansprüche der Gesellschaften gegen die sonstigen versicherten Personen bestehen. Nur durch eine so umfassende Lösung lässt sich außerdem der angestrebte Zweck der Vereinbarungen erreichen, die Aufarbeitung der Dieselthematik mit Blick auf mögliche Organhaftungsansprüche haftungsrechtlich und versicherungsrechtlich endgültig zu erledigen. Diese Regelung ermöglicht es den amtierenden Organmitgliedern zudem, sich insbesondere auf die zukunftsbezogenen Aufgaben in den Gesellschaften zu konzentrieren.

Die noch laufenden Verfahren stehen einem Vergleichsabschluss nicht entgegen. Nach Auffassung von Aufsichtsrat und Vorstand sollte ein Vergleichsabschluss auch nicht weiter aufgeschoben werden, da nur durch einen frühen Vergleichsabschluss dessen Vorteile - namentlich der zügige Abschluss der Aufarbeitung der Dieselthematik, der schnelle Zufluss der Mittel und die Verbesserung der Situation von Volkswagen hinsichtlich der noch laufenden Verfahren - im vollem Umfang erreicht werden können.


G.            Gerichtlich angeordnete Sonderprüfung 

Der Abschluss der Vergleichsvereinbarungen sowie der Verzicht gegenüber anderen Organmitgliedern ist auch vor dem Hintergrund der vom Oberlandesgericht Celle angeordneten Sonderprüfung bei Volkswagen zulässig, mit der die Pflichtgemäßheit des Handelns von Vorstand und Aufsichtsrat im Zusammenhang mit der Dieselthematik überprüft werden soll. Ungeachtet der Anordnung dieser Sonderprüfung sind Vorstand und Aufsichtsrat nach der aktienrechtlichen Kompetenzordnung weiterhin berechtigt, im pflichtgemäßen Ermessen sowie im Interesse von Volkswagen über den Abschluss von Vergleichsvereinbarungen und Verzichtserklärungen mit Organmitgliedern zu beschließen. Dasselbe gilt für die Kompetenz der Hauptversammlung, entsprechenden Vereinbarungen zustimmen zu können.

Mehr als fünfeinhalb Jahre nach Bekanntwerden der Dieselthematik liegen nach Auffassung von Vorstand und Aufsichtsrat infolge der umfassenden Prüfungen von Gleiss Lutz für den Aufsichtsrat sowie von Linklaters für den Vorstand nunmehr in jeder Hinsicht hinreichende Prüfungsergebnisse über die aktienrechtlichen Verantwortlichkeiten amtierender und ehemaliger Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat im Zusammenhang mit der Dieselthematik vor. Auf der Grundlage dieser Prüfungsergebnisse haben Aufsichtsrat und Vorstand über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen sowie die vorliegenden Vergleichsvereinbarungen beschlossen. Hierdurch soll die Frage der zivilrechtlichen Verantwortlichkeiten von Organmitgliedern von Volkswagen im Zusammenhang mit der Dieselthematik abschließend behandelt werden. Volkswagen wird schließlich in die Lage versetzt, sich unbelastet auf die vor dem Unternehmen liegenden großen operativen und strategischen Herausforderungen zu konzentrieren.

Vorstand und Aufsichtsrat halten es demgegenüber nicht für angemessen, auf die Prüfungsergebnisse der Sonderprüfung zu warten. Dies gilt schon deshalb, weil angesichts des Umfangs und der Tiefe der umfassenden Untersuchung von Aufsichtsrat und Vorstand keine weitergehenden Erkenntnisse durch die Sonderprüfung zu erwarten sind. Im Übrigen wird es voraussichtlich noch eine erhebliche Zeit dauern, bis der Sonderprüfer seinen Abschlussbericht vorlegen könnte, da der Sonderprüfer gegenwärtig noch keine Prüfungshandlungen bei Volkswagen vorgenommen hat. Dies würde auch dazu führen, dass Volkswagen die erheblichen Mittel aus den Vergleichsvereinbarungen mit den D&O-Versicherern sowie mit Herrn Professor Dr. Winterkorn und Herrn Stadler zum jetzigen Zeitpunkt nicht zufließen würden.

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June 14, 2021 09:06 ET (13:06 GMT)