Hamburg (Reuters) - Der Autozulieferer Continental wird inmitten des Konzernumbaus und Verwerfungen durch die Chipkrise vom VW-Dieselskandal eingeholt.

Die Staatsanwaltschaft Hannover weitete ihre schon länger laufenden Ermittlungen auf Ex-Konzernchef Elmar Degenhart, den am Mittwoch abberufenen Finanzchef Wolfgang Schäfer sowie ein ehemaliges Vorstandsmitglied der inzwischen von Conti abgespaltenen Sparte Powertrain aus. Die Vorwürfe lauteten auf Beihilfe zu Betrug und Untreue sowie auf vorsätzliche Verletzung der Aufsichtspflicht, sagte ein Sprecher der Ermittlungsbehörde am Donnerstag. Auch gegen zwei leitende Mitarbeiter unterhalb der Vorstandsebene liefen Untersuchungen. Am Mittwoch seien in einer von Conti beauftragten Rechtsanwaltskanzlei Unterlagen und Daten sichergestellt worden. Die Aktien des Dax-Konzerns waren mit einem Minus von mehr als vier Prozent größter Verlierer im Dax.

Continental lehnte einen Kommentar zu den Aussagen der Staatsanwaltschaft ab. Auch Ex-Konzernchef Degenhart und Ex-Finanzchef Schäfer würden sich nicht zu laufenden Ermittlungen äußern, sagte ein Unternehmenssprecher.

Der Betriebsrat reagierte mit harscher Kritik: "Diese Nachricht ist ein weiterer Donnerschlag." Sie reihe sich ein in eine Kette von Entwicklungen, durch die der Traditionskonzern durchschüttelt werde. Dazu zählten Betriebsratschef Hasan Allak und sein Stellvertreter Lorenz Pfau neben der Pandemie und den im Zuge der Neuausrichtung beschlossenen Werksschließungen auch Kurzarbeit wegen der Chipkrise und die Abspaltung der in Vitesco umgetauften ehemaligen Antriebsparte Powertrain. "Und jetzt dreht sich auch noch das Personal-Karussell immer schneller." Die von Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle angekündigte rückhaltlose Aufklärung reiche nicht aus. "Denn für die Ausrichtung auf Profit um jeden Preis bezahlen wir Continentäler gerade alle teuer." Die Arbeitnehmervertreter forderten eine Rückbesinnung auf Vertrauen, Verlässlichkeit und "mehr Mut zur Ehrlichkeit".

ERMITTLER: STOSSEN IMMER WIEDER AUF NEUE HINWEISE

Die Strafverfolger hatten im Zusammenhang mit dem Diesel-Abgasskandal bei Volkswagen seit längerem mehrfach Büros an Standorten von Conti durchsucht und umfangreiches Material sichergestellt. "Im Rahmen der Auswertung der bisher beschlagnahmten Unterlagen stoßen wir immer wieder auf Hinweise und neue Erkenntnisse", sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Dies habe zu erneuten Durchsuchungen geführt. Das Ergebnis des Einsatzes werde derzeit zusammengetragen. Bereits vergangene Woche habe die Compliance-Abteilung von Continental in Frankfurt Besuch von Ermittlern bekommen. Auch eine Privatwohnung sei durchsucht worden. Es handele sich dabei nicht um die Wohnung von Schäfer, sagte der Behördensprecher.

Bei den bisherigen Ermittlungen ging es darum, ob sich Mitarbeiter der Beihilfe zum Betrug und der mittelbaren Falschbeurkundung in den Jahren 2006 bis 2015 schuldig gemacht haben. Die in einem von VW für den Verkauf in Europa entwickelten 1,6 Liter Dieselmotor verwendete Software stammte von Continental. Der Zulieferer argumentiert, dass solche Motorsteuerungen von der Kundschaft auf ihre jeweiligen Bedürfnisse programmiert würden und er selbst nicht an der Manipulation beteiligt gewesen sei.

Am Mittwoch tauschte Continental allerdings überraschend den langjährigen Finanzchef Schäfer aus. Bis zur Regelung einer Nachfolge übernehme Konzernchef Nikolai Setzer dessen Aufgaben. Die Bereiche Compliance und Recht, für die Schäfer mit verantwortlich war, fallen dauerhaft in den Aufgabenbereich des Vorstandschefs. Conti hatte im Anschluss an eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung erklärt, die personellen Veränderungen stünden im Zusammenhang mit den bereits bekannten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zur Verwendung illegaler Abschalteinrichtungen in Dieselmotoren und Defiziten bei der Aufklärung.

Schäfer war seit Januar 2010 Finanzvorstand, sein Vertrag war zuletzt im März 2019 bis Ende 2024 verlängert worden. Neben den Finanzen war der 62-Jährige auch für die IT und die Einhaltung der Regeln (Compliance) zuständig.

Volkswagen hatte 2015 auf Druck der US-Umweltbehörden zugegeben, Abgaswerte von Dieselautos in großem Stil manipuliert zu haben. Die Wiedergutmachung hat den Wolfsburger Autobauer bisher mehr als 32 Milliarden Euro gekostet - vor allem an Strafen und Schadensersatz in Amerika.