- von Alexander Hübner und Christina Amann

München (Reuters) - Der ehemalige Audi-Chef Rupert Stadler will von den Manipulationen an hunderttausenden von Dieselautos in seinem Unternehmen lange Zeit nichts gewusst haben.

Der 57-Jährige wies am Dienstag vor dem Münchner Landgericht Technikern und Entwicklern die Schuld an den Manipulationen zur Einhaltung der Abgasvorschriften zu. "Tarnen und Täuschen war über einen langen Zeitraum hinweg Teil einer Arbeits-, vielleicht auch Angst-Kultur", sagte Stadler in seiner ersten Aussage in dem Prozess, der den Dieselskandal beim VW-Konzerns aufarbeiten soll. Dass es ihm nicht gelungen sei, den Schaden für Audi zu verhindern, werfe er sich persönlich vor. Er wolle aber nicht als "Galionsfigur missbraucht" werden.

Der Staatsanwaltschaft wirft Stadler Voreingenommenheit und eine "politische Instrumentalisierung" des Verfahrens vor. Er sei "persönlich bestürzt", wie die Ankläger mit ihm umgingen. Als Vorstandschef habe er kein Recht auf eine Sonderbehandlung, dürfe aber auch nicht schlechter behandelt werden als andere. Der ehemalige Top-Manager hatte vier Monate in Untersuchungshaft verbringen müssen. Die Staatsanwaltschaft legt ihm zur Last, den Verkauf von Diesel-Fahrzeugen in Europa nicht sofort gestoppt zu haben, nachdem die US-Umweltbehörde EPA den Skandal im Herbst 2015 aufgedeckt hatte, und spricht ihm ein ehrliches Bemühen um Aufklärung ab. Stadler drohen wegen "gewerbsmäßigen Betrugs durch Unterlassen" sechs Monate bis zehn Jahre Haft.

Die Staatsanwaltschaft mache sich falsche Vorstellungen von den Strukturen in einem großen Industriekonzern wie Volkswagen mit 600.000 Mitarbeitern, davon allein 90.000 bei Audi, sagte Stadler. Im dunklen Rollkragenpullover und Nadelstreifen-Sakko las er mehr als drei Stunden ruhig und mit fester Stimme aus seinem 45-seitigen Manuskript vor. Stadler verwies auf seine hohe Arbeitsbelastung: Einen Großteil der E-Mails, die er als Vorstandschef erhalten habe, habe er nie zu Gesicht bekommen. Wesentliche Entscheidungen seien im Zehn-Minuten-Takt gefallen, und selbst für das Wochenende habe er noch ein bis zwei Post-Koffer mit nach Hause nehmen müssen, sagte Stadler, der die Ingolstädter Volkswagen-Tochter von 2007 bis 2018 geführt hatte. Heute arbeitet er als Berater und lebt nach eigenen Angaben finanziell "in geordneten Verhältnissen".

ZU SPÄT "DIE HOSEN RUNTERGELASSEN"

Er verwahrte sich gegen den Vorwurf eines mangelnden Willens zur Aufklärung des Skandals. Dem Audi-Vorstand seien die Hände gebunden gewesen, sagte Stadler. Er sei bewusst aus den Ermittlungen der Anwaltskanzlei Jones Day herausgehalten worden, die die Affäre im Auftrag des VW-Aufsichtsrats aufklären sollte. Die Audi-Manager seien aus Angst vor Interessenkonflikten nur von Zeit zu Zeit mündlich über den Stand der Dinge unterrichtet worden.

Mit den Entwicklern ging Stadler hart ins Gericht. Trotz vieler Appelle hätten sie nicht "die Hosen runtergelassen". Ehe die US-Umweltbehörde im September 2015 die illegale Software entdeckt hatte, habe er nicht an illegale Manipulationen bei Audi geglaubt, um die US-Abgasvorschriften zu erfüllen. Auch noch danach habe der für die Entwicklung von Dieselmotoren verantwortliche Ingenieur Ulrich W. in einer Vorstandssitzung beteuert, dass es bei den auch anderswo im Konzern verwendeten großen Dieselmotoren von Audi keine Abschalteinrichtung gebe, die auf der Straße zu einem weit höheren CO2-Ausstoß führte als auf dem Prüfstand.

Er habe als Betriebswirt von den technischen Einzelheiten wenig verstanden, räumte Stadler ein. "Für uns im Vorstand war die Komplexität in keiner Weise greifbar." Umso beschämender sei, dass sich das Problem mit einem einfachen Software-Update hätte lösen lassen.