Hamburg (Reuters) - Während seine E-Autos allmählich ins Rollen kommen, legt der VW-Konzern sein Augenmerk immer mehr auf die dazugehörige Software und die Entwicklung von Mobilitätsdiensten.

Die Konzern-Hauptmarke VW kündigte am Freitag an, sie wolle den Wandel zu einem Technologieunternehmen beschleunigen, das im nächsten Jahrzehnt quer durch die Modellreihen auch selbstfahrende Autos im Angebot haben werde. Dadurch will der nach Toyota weltweit zweitgrößte Autobauer Tech-Giganten wie Apple, Google und Amazon auf Abstand halten, die ins angestammte Geschäft der Automobilindustrie vordringen. "Die E-Mobilität war nur der Anfang, die echte Disruption steht noch bevor", sagte Markenchef Ralf Brandstätter. Volkswagen werde sich in den kommenden Jahren so stark verändern wie nie zuvor.

Eine immer größere Rolle bekommen dabei datenbasierte Geschäftsmodelle, mit denen Volkswagen künftig Geld verdienen will. "Wir können uns vorstellen, in den nächsten Jahren dadurch dreistellige Millionenbeträge zusätzlich in unsere Kassen zu bringen", erläuterte Vertriebschef Klaus Zellmer während einer Videokonferenz zur Präsentation der Strategie "Accelerate". Nutzer sollen übers Internet zusätzliche Funktionen in ihren Fahrzeugen freischalten können, etwa eine längere Reichweite der Batterie buchen oder bestimmte Navigationsdienste kaufen. Das Auto wird damit zu einer Art "iPad auf Rädern", das ständig online ist. Da die Bedeutung eines eigenen Wagens nach Überzeugung von Experten abnimmt, sollen Carsharing, Fahrdienste und Abo-Modelle an Bedeutung gewinnen. An der Überlassung von Autos gegen eine Grundgebühr und zusätzliche Kilometerpauschale arbeitet VW bereits. Die Software der ständig wachsenden E-Auto-Flotte soll regelmäßig übers Internet (Over the Air) auf den neuesten Stand gebracht werden.

Volkswagen will ein neuronales Netz von miteinander vernetzten Fahrzeugen aufbauen, die kontinuierlich Daten austauschen - etwa zu Verkehrslage, Hindernissen oder Unfällen. Damit sollen Navigationssysteme genauer und autonomes Fahren sicherer werden. Schon in zwei Jahren soll eine vollvernetzte Flotte von über einer halben Million Fahrzeugen auf den Straßen rollen.

VW WILL DEN ERFOLG NICHT TEILEN

Das Betriebssystem für die E-Autos, das Herzstück also, auf dem die verschiedenen Dienste aufsetzen, entwickelt Volkswagen selbst. Kooperationen mit anderen Herstellern sind nicht geplant. Software werde in Zukunft eine zentrale Bedeutung haben, denn darauf basierten die Geschäftsmodelle, betonte Brandstätter. "Gibt man das in dritte Hand, kann man diese Geschäftsmodelle selber nicht mehr gestalten." Andere Hersteller wie Fordoder der aus Peugeot und Fiat Chrysler fusionierte Stellantis-Konzern arbeiten mit Google zusammen.

Gleichzeitig will VW in der Elektromobilität weiter Gas geben. Der Anteil reiner E-Autos am Absatz soll bis 2030 in Europa auf über 70 Prozent steigen - das ist doppelt soviel wie bisher geplant. In China und den USA peilen die Wolfsburger im gleichen Zeitraum mehr als 50 Prozent an. Jedes Jahr soll mindestens ein neues E-Modell auf die Straße kommen. Noch in der ersten Jahreshälfte soll der allradgetriebene Elektro-SUV ID.4 GTX auf die Straße kommen, ihm folgt im zweiten Halbjahr der ID.5. Im Herbst steht der siebensitzige Elekro-SUV ID.6 X für den chinesischen Markt auf dem Programm.

Parallel werden auch die Modelle mit Verbrennungsmotor weiterentwickelt, weil dies noch das Hauptgeschäft ist. Alle Kernmodelle wie Golf, Tiguan, Passat, Tayron und T-Roc sollen noch einen Nachfolger bekommen - bevor 2026 die letzte Verbrennerplattform bei VW aufgelegt wird.

Rund 16 Milliarden Euro investiert allein die Marke VW binnen fünf Jahren in E-Mobilität, Hybridantriebe und die Digitalisierung. Um das zu finanzieren, will der Autobauer Fixkosten bis 2023 um fünf Prozent senken. Die Produktivität der Werke soll um fünf Prozent im Jahr steigen, die Materialkosten um sieben Prozent sinken. Alle Regionen sollen nachhaltig schwarze Zahlen schreiben. In Südamerika und den USA peilt Volkswagen im laufenden Jahr die Gewinnschwelle an. Das für übernächstes Jahr ausgegebene Renditeziel von mindestens sechs Prozent vor Sondereinflüsse (2019: 4,3) Prozent bekräftigte Brandstätter.