Von Justin Lahart

NEW YORK (Dow Jones)--Der Online-Handel hat in der Pandemie eine große Party gefeiert, schon bald aber könnte Katerstimmung aufkommen. Das US-Handelsministerium berichtete am Dienstag, dass die E-Commerce-Verkäufe - von Internethändlern wie Amazon.com ebenso wie von traditionellen Einzelhändlern wie Walmart - im ersten Quartal um 39 Prozent zum Vorjahr gestiegen sind. Das war das schnellste Wachstum seit dem zweiten Quartal vergangenen Jahres, als die Umsätze um 44 Prozent in die Höhe schossen. Vor der Covid-19-Krise wuchsen die Online-Umsätze mit durchschnittlich etwa 15 Prozent.

Der jüngste Anstieg ist insofern besonders bemerkenswert, als zum Ende des Quartals Impfstoffe zunehmend besser verfügbar waren und das Pandemie-Geschehen immer mehr an Boden verlor. Außerdem hätte man meinen können, dass das Bedürfnis der Menschen nach einigen jener Dinge, die sie online einkauften, zu diesem Zeitpunkt bereits gestillt sein müsste. Ohnehin ist da die grundsätzliche Frage: Wie viele Puzzles braucht eine durchschnittliche Familie eigentlich?

Es gibt Anzeichen dafür, dass die Begeisterung der Menschen, online shoppen zu gehen, zu schwinden beginnt. Walmart schrieb in seinem Zwischenbericht am Dienstag, dass seine E-Commerce-Verkäufe für den Zeitraum Februar bis April um 37 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind. Das ist zwar viel, aber weniger als das 69-prozentige E-Commerce-Wachstum aus dem vierten Quartal. Ebenfalls am Dienstag gab Home Depot bekannt, dass seine digitalen Umsätze im ersten Quartal (per 2. Mai) zum Vorjahr um 27 Prozent wuchsen, verglichen mit einem Plus von 83 Prozent, das noch im vierten Quartal die Einnahmen antrieb.

Zu einem gewissen Grad spiegeln die abgeschwächten Wachstumsraten den Umstand wider, dass die Vergleichszeiträume den April des Vorjahres einschließen, als die Covid-19-Krise den ersten Ansturm auf das Online-Shopping auslöste. Um dies auszugleichen, haben Walmart und Home Depot hervorgehoben, wie stark sowohl ihre E-Commerce-Umsätze als auch ihre Gesamtumsätze in den vergangenen zwei Jahren gewachsen sind.

Diese Darstellung scheint angemessen zu sein, aber zugleich nähren die Handelskonzerne damit auch die große Sorge, dass sich das Wachstum der Online-Verkäufe nicht nur auf das Tempo vor der Pandemie abschwächen wird, sondern darüber hinaus insgesamt verlangsamen könnte. Das scheint nämlich ein echtes Risiko zu sein.

Schließlich zeigen weder der E-Commerce-Umsatzbericht des Handelsministeriums noch die Zwischenberichte von Walmart, Home Depot oder anderen Einzelhändlern, wie tiefgreifend sich das Umfeld des Einzelhandels in den USA in jüngster Zeit verändert hat. In der vergangenen Woche wurden beispielsweise pro Tag nur etwa halb so viele neue Covid-19-Fälle gemeldet wie im April. Zusammen mit mehr Menschen, die vollständig geimpft sind, der Öffnung der Impfkampagne für Kinder ab 12 Jahren und der Lockerung der Beschränkungen, sich in der Öffentlichkeit wieder zu bewegen, werden sich mehr Amerikaner wohl dabei fühlen, wieder in den Läden einzukaufen. Quatsch: Sie werden das womöglich sogar dringend wollen!

Das sind keine schlechten Nachrichten für die Walmarts und Home Depots dieser Welt - sie unterhalten schließlich jede Menge stationäre Geschäfte. Aber für Online-Händler wie Amazon ist die Aussicht, dass die Menschen weniger Zeit mit dem Einkaufen von der Couch aus verbringen, eher nicht willkommen.

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May 19, 2021 01:40 ET (05:40 GMT)