Von Carol Ryan

LONDON (Dow Jones)--Das Management von Walmart dürfte sich mittlerweile über eine vor Monaten getroffene Entscheidung ärgern. Nachdem der US-Einzelhandelsriese seine Mehrheitsbeteiligung an der britischen Supermarktkette Asda zu einer eher mittelmäßigen Bewertung verkauft hat, stehen britische Märkte plötzlich ganz oben in der Gunst von Private-Equity-Gesellschaften.

Um den nach Marktanteil viertgrößten britischen Lebensmittel-Einzelhändler WM Morrison braut sich gerade ein Bieterkrieg zusammen. Am Samstag gab es grünes Licht für ein 6,3 Milliarden Pfund schweres Übernahmeangebot, das von der Buyout-Firma Fortress Investment Group stammt. Diese wiederum wird unterstützt von der Softbank Group. Nach aktuellem Wechselkurs entspricht dieses Angebot 8,7 Milliarden US-Dollar. Das Ende der Fahnenstange scheint damit noch nicht erreicht.

Die Private-Equity-Größe Apollo Global Management teilte am Montag mit, dass sie ein konkurrierendes Angebot in Erwägung zieht. Zuvor wurde bereits die 5,5 Milliarden-Pfund-Offerte des weiteren Bieters Clayton, Dubilier & Rice von Morrrisons abgelehnt.

Das Angebot von Fortress entsprach einem Aufschlag von 42 Prozent auf den zu diesem Zeitpunkt geltenden Aktienkurs des Lebensmittelhändlers. Die Aktie ist inzwischen nochmals gestiegen. Das gilt als Zeichen dafür, dass die Anleger noch höhere Angebote erwarten.

Private-Equity-Firmen sind offensichtlich der Meinung, dass jahrelanger intensiver Wettbewerb und die schlechte Performance des britischen Pfunds seit dem Brexit-Referendum die Supermarkt-Aktien des Vereinigten Königreichs zu billig gemacht haben.


Einzelhandelsimmobilien ebenfalls im Fokus 

Der Verkauf durch Walmart könnte auch den Blick auf den Wert der Immobilien von Lebensmittelhändlern geschärft haben.

Asda, die Nummer drei in Großbritannien vor Morrisons, war ein lukrativer Kauf für die neuen Eigentümer TDR Capital und die in Großbritannien beheimateten milliardenschweren Issa-Brüder. Vergangene Woche verkauften sie das Netz von Lagerhäusern und Distributionszentren der Supermarktkette an die Blackstone Group für 1,7 Milliarden Pfund. Dank dieses Geschäfts haben die Asda-Eigentümer die rund 800 Millionen Pfund Eigenkapital, die sie investiert haben, nach nur fünf Monaten bereits wieder hereingeholt. Zudem bliebe noch genug übrig für eine Sonderdividende.

Morrisons scheint reif für eine ähnliche Story, da das Unternehmen etwa 85 Prozent seiner Filialgebäude selbst besitzt. Das Immobilienvermögen des Händlers wird in den Büchern mit 5,8 Milliarden Pfund bewertet, könnte aber jetzt noch teurer werden.

Der Umsatz mit Lebensmitteln profitierte von der Pandemie. Geschlossene Restaurants hatten zur Folge, dass sich die Verbraucher verstärkt bei den Supermärkten bedienten und zu Hause kochten. Ein Teil der zusätzlichen Ausgaben wird den Supermärkten wahrscheinlich erhalten bleiben, auch wenn die Einschränkungen mit dem Abklingen der Pandemie gelockert werden. Das zugrunde liegende Immobilienvermögen der Supermärkte profitiert davon ebenfalls.

Fortress sagte, dass keine "wesentlichen" Verkäufe und Rückmietungen von Läden geplant seien. Allerdings könnte die Eigentumsquote von Morrisons im Laufe der Zeit auf 60 Prozent gesenkt werden, was das Unternehmen in etwa auf ein Niveau mit den größeren Konkurrenten Tesco und Sainsbury's bringen würde. Möglicherweise stehen auch die Morrisons-Tankstellen zur Disposition.


Auch politische Interessen berührt 

Der Handel mit Lebensmitteln in Großbritannien war in den vergangenen Jahren wettbewerbsintensiv bis zur Schmerzgrenze. Das erklärt auch, warum Walmart den Ausstieg anstrebte. Dennoch verlief das Geschäft von Morrisons stabil und wuchs in elf der letzten zwölf Monate schneller als der Markt, wie Daten des Marktforschungsunternehmens Kantar zeigen.

Bei allem berührt die Entwicklung auch politische Empfindlichkeiten. Sollte der Kauf zustande kommen, wären zwei der vier großen Supermarktketten Großbritanniens in den Händen von Private-Equity-Unternehmen, und auch Sainsbury's könnte noch in den Fokus geraten.

Covid-19 hat der Lebensmittelsicherheit zu einer höheren Priorität unter Politikern verholfen. Vergangenes Jahr wurde eine kanadische Annäherung an den Supermarkt Carrefour von der französischen Regierung abgeschmettert. Der Sektor ist für Großbritannien nach dem Austritt des Landes aus der Europäischen Union besonders sensibel geworden. Ungewöhnlich ist, dass Morrisons einen Großteil der verkauften Lebensmittel selbst produziert, was das Unternehmen in eine starke Position bringen könnte, wenn die Importkosten steigen.

Walmarts schlecht getimter Ausstieg bei Asda und die Pandemie haben einen neuen Blick auf den verschlafenen, margenschwachen britischen Supermarktsektor eröffnet. Das ist insgesamt eine gute Nachricht für die Aktionäre - vorausgesetzt, die Politiker greifen nun nicht in die Speichen.

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(END) Dow Jones Newswires

July 06, 2021 03:41 ET (07:41 GMT)