Von Nathaniel Taplin

NEW YORK (Dow Jones)--Walmart hat in China zu kämpfen, nachdem die Internetnutzer des Landes das Unternehmen beschuldigt haben, keine Produkte aus der chinesischen Region Xinjiang zu führen, in der die Regierung zahlreiche Angehörige der uigurischen Minderheit inhaftiert hat.

Auf den ersten Blick ist dies nichts Neues: Ausländische Unternehmen sind in China seit Jahren regelmäßig mit Boykotten konfrontiert. Dahinter verbergen sich jedoch tiefgreifende Veränderungen im politischen und wirtschaftlichen Klima Chinas. Wenn diese bestehen bleiben, könnten langjährige Annahmen, dass Konsumgüterunternehmen in China investieren müssen, wenn sie nicht weltweit ins Hintertreffen geraten wollen, ins Wanken kommen.

Politisch gefärbte Verbraucherboykotte in China haben eine lange Geschichte. Im Jahr 2008 sah sich die französische Supermarktkette Carrefour vor den Olympischen Sommerspielen in Peking einem Boykott ausgesetzt, nachdem Demonstranten, die auf die chinesische Unterdrückung in Tibet aufmerksam machen wollten, die Träger der olympischen Fackeln auf ihrem Weg durch Paris bedrängt hatten. Japanische Autohersteller mussten 2012 einen Boykott erdulden, nachdem Tokio die von Japan kontrollierten Senkaku-Inseln - die auf Chinesisch Diaoyu heißen und von China ebenfalls beansprucht werden - erworben hatte. In jüngerer Zeit sahen sich H&M und andere ausländische Bekleidungsmarken dem Druck der Internetnutzer ausgesetzt - mit zusätzlichem Auftrieb durch offizielle Organe wie die Kommunistische Jugendliga -, nachdem sie ihre Beschaffung aus der Region Xinjiang eingestellt hatten. Zuvor hatten die USA und Europa Sanktionen gegen Unternehmen verhängt, die mutmaßlich in Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang verwickelt sind, unter anderen in Internierungen, Sterilisationen und die Zerstörung Tausender religiöser Stätten.


   Ein schwierigeres Umfeld 

Solche Boykotte hatten oft schon dauerhafte, negative Auswirkungen, bevor die Beziehungen zwischen China und dem Westen sich zuletzt so massiv verschlechterten. Der koreanische Supermarkt Lotte Mart musste sich 2018 aus China zurückziehen, nachdem er dort mehr als zehn Jahre lang tätig gewesen war. Grund war ein Verbraucherboykott in Reaktion auf die Zustimmung Südkoreas zur Stationierung eines US-Raketenabwehrsystems auf seinem Boden. Und das chinesische Geschäft von Carrefour gehört jetzt zu Suning, einer chinesischen Marke. In einer offensichtlichen Anspielung auf Walmart zeigte der offizielle Account von Carrefour China auf Weibo, einem Twitter-ähnlichen chinesischen Social-Media-Netzwerk, kürzlich einen Beitrag mit Walnüssen, Baumwollsocken und Äpfeln mit der Überschrift: "Ich komme aus Xinjiang".

Das Umfeld ist für viele westliche Marken in China jedoch eindeutig noch schwieriger geworden, und es gibt kaum Aussichten auf eine wesentliche Verbesserung.

H&M wurde nicht nur ins Visier genommen - es wurde von Unternehmen wie Alibaba und Baidu mehr oder weniger aus dem chinesischen Internet gedrängt. Die wachsende Aufmerksamkeit amerikanischer Politiker und der westlichen Öffentlichkeit für die Menschenrechtsverletzungen der chinesischen Regierung wird wohl nicht nachlassen. Gleichzeitig ist die nationalistische Stimmung in der chinesischen Öffentlichkeit - und die Bereitschaft von Beamten, sich einer scharfen Rhetorik zu bedienen - selten so ausgeprägt gewesen.

Während sich diese "Push"-Faktoren gegen westliche Unternehmen in China verstärken, lassen die "Pull"-Faktoren nach. Dank einer toxischen Kombination aus steigender Verschuldung, Einkommensverlusten in den ersten Monaten von Covid-19, hohen Immobilienpreisen, wiederholten Runden drakonischer Maßnahmen zur Bekämpfung kleinerer Covid-19-Ausbrüche und einem brutalen Vorgehen gegen einige der am schnellsten wachsenden Arbeitgeber im Dienstleistungssektor wie Internettechnologie und Immobilien, war das chinesische Konsumwachstum selten schwächer, und die Jugendarbeitslosigkeit bleibt hartnäckig hoch.

Die realen Ausgaben für Konsumgüter stiegen im November nur um 0,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, was - abgesehen von der anfänglichen Erholung von der Pandemie Anfang und Mitte 2020 - der schwächste Anstieg seit mindestens 2011 war.

Im Moment planen viele, wenn nicht sogar die meisten amerikanischen Unternehmen immer noch Expansionen in China. Eine Umfrage der Amerikanischen Handelskammer in Schanghai vom September ergab, dass nur etwa ein Zehntel der Unternehmen geplante Investitionen aus Sorge vor Boykotten reduziert hat. Aber wenn das chinesische Konsumwachstum beharrlich schwach bleibt, könnte sich dieses Kosten-Nutzen-Kalkül schnell ändern.

Die Schwierigkeiten von Walmart sind ein Symptom für ein viel größeres Problem. Wenn sich die Beziehungen nicht verbessern - und das Wachstum des chinesischen Konsums sich nicht bald erholt - könnten sich mehr ausländische Unternehmen dazu entschließen, ihre Wachstumspläne auf grünere Weiden mit weniger tiefen politischen Einschnitten zu konzentrieren.

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December 28, 2021 10:22 ET (15:22 GMT)