Von Dan Gallagher

NEW YORK (Dow Jones)--Das Aussterben der Kinos ist in den Medien stark übertrieben worden. Wie genau ihr neues Leben in einer Welt nach der Pandemie aussehen wird, bleibt abzuwarten.

Ein starkes Einspielergebnis seit Anfang September hat die Hoffnung auf einen Geschäftszweig wiederbelebt, von dem man einst dachte, er gehöre zu den ewigen Opfern der Pandemie. Walt Disneys neuester Marvel-Film, "Shang-Chi und die Legende der zehn Ringe", hat seit seinem Start Anfang September mehr als 206 Millionen US-Dollar in den USA erwirtschaftet. Sonys "Venom: Let There Be Carnage" - basierend auf einer anderen Marvel-Figur - hat derweil allein am vergangenen Wochenende starke 90 Millionen Dollar eingebracht. Und der lange hinausgeschobene James-Bond-Film "No Time to Die" von MGM hat in den ersten internationalen Märkten 121 Millionen Dollar eingespielt, bevor er am kommenden Wochenende in den USA anläuft.

Das hat die Anleger wieder auf den Plan gerufen. Die Aktien von Cinemark und IMAX sind seit der Veröffentlichung von Shang-Chi um jeweils 27 Prozent und 34 Prozent emporgeschossen. AMC Entertainment hat in dieser Zeit zwar 16 Prozent verloren. Aber der neu entdeckte Status des weltgrößten Kinobetreibers als "Meme-Aktie" hat ihn den jüngsten Marktturbulenzen, die risikoreicheren Namen im Allgemeinen den Wind aus den Segeln genommen haben, stärker ausgesetzt.


 
Streaming-Dienste drohen Kinos das Wasser abzugraben 
 

Der jüngste Trend deutet darauf hin, dass das Publikum nach wie vor große Filme sehen will - vor allem, wenn es keine anderen Möglichkeiten gibt. "Shang-Chi" hat das Einspielergebnis von "Black Widow" in Höhe von 184 Millionen Dollar deutlich übertroffen, obwohl der letztgenannte Film bereits seit zwei Monaten auf dem Markt ist und auf einer viel bekannteren Marvel-Figur basiert. Disney hat "Black Widow" gleichzeitig in den Kinos und als Premium-Angebot auf seinem Streaming-Dienst Disney+ veröffentlicht, aber die Ergebnisse von "Shang-Chi" scheinen einen Eindruck hinterlassen zu haben. Disney kündigte Mitte September an, dass die verbleibenden Filme für 2021 zuerst in den Kinos starten.

Dennoch steht das Kinogeschäft vor einigen Hürden. Die Umsätze liegen nach wie vor deutlich unter dem normalen Niveau. Laut Box Office Mojo rangierten die Einnahmen an den heimischen Kinokassen im dritten Quartal, das weitgehend frei von den Einschränkungen der Pandemiezeit war, um 51 Prozent unter dem gleichen Zeitraum des Jahres 2019. Ein Großteil davon lässt sich mit einer Film-Flaute erklären, da im dritten Quartal 55 Prozent weniger Streifen veröffentlicht wurden als im gleichen Zeitraum 2019. Außerdem haben viele Studios jetzt ihre eigenen Streaming-Verkaufsstellen und werden von den Investoren für diese Umstellung belohnt. Disney, das in den vergangenen fünf Jahren die überwiegende Mehrheit der umsatzstarken Blockbuster produziert hat, strukturierte sein Geschäft im vergangenen Jahr um, um sich mehr auf Streaming zu konzentrieren.


 
Hoffen auf klingelnde Kassen dank James Bond 
 

Die verbleibenden Filme, die in diesem Jahr in die Kinos kommen sollen, müssen also immer noch hohe Einspielergebnisse erzielen. Ansonsten könnten ihre Macher das Vertrauen ins Kinogeschäft verlieren. Disneys "Eternals" und "Encanto" im November werden die Schlüsseltitel sein. Sie sind so etwas wie Lackmustests, die es im Auge zu behalten gilt. Vor allem auf "Encanto" sollten die Aktionäre schauen, da familienorientierte Filme auf dem aktuellen Markt immer noch schlecht abschneiden, was möglicherweise einem Mangel an Impfmöglichkeiten für junge Teenager und Kinder geschuldet ist. Sony, eines der wenigen großen Studios ohne Streaming-Angebot, hat einen neuen Spider-Man-Teil und "Ghostbusters: Afterlife" auf dem Weg. Und hinter "Dune" sowie "Matrix Resurrections" von AT&Ts Warnermedia steht noch ein großes Fragezeichen, da das Studio Ende vergangenen Jahres beschlossen hat, sein gesamtes Kinoprogramm für 2021 am selben Tag auf seinen HBO-Max-Dienst zu übertragen.

Damit bleibt für Bond einiges zu tun. Die Filmreihe, die auf der 1953 von Ian Fleming geschaffenen Figur basiert, steht laut der Branchenseite The Numbers an fünfter Stelle der weltweiten Einspielergebnisse. Aber die James-Bond-Filme haben immer noch nicht so viel Anziehungskraft wie Disneys Marvel- und Star-Wars-Franchises. Nur ein Bond-Film, "Skyfall" von 2012, hat weltweit mehr als 1 Milliarde Dollar eingespielt, während neun Marvel-Filme diese Marke überschritten haben. Die Bond-Filme werden auch immer seltener, und die sechs Jahre seit "Spectre" von 2015 sind die längste Pause für die Filmreihe seit den frühen 90er Jahren. Damit wird "No Time to Die" der erste Ausflug des trinkfesten, frauenverachtenden Superspions in der "Me Too"-Ära sein. Aber der Kinobesuch ist noch nicht völlig aus der Mode gekommen, und die Kinobesitzer beten, dass Mr. Bond es auch nicht ist.

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

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October 07, 2021 04:20 ET (08:20 GMT)