Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Das Bundesfinanzministerium sieht in dem jüngsten Bericht des Bundesrechnungshofes (BRH) zu Versäumnissen im Wirecard-Skandal keine weiterführenden Erkenntnisse. "Der Bericht des Bundesrechnungshofes ... enthält keine neuen Erkenntnisse, sondern bestätigt die Analyse des Bundesfinanzministeriums, dass das aus dem Jahr 2004 stammende Bilanzkontroll-System reformiert und die Bankenaufsicht schlagkräftiger werden muss", erklärte eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage von Dow Jones Newswires.

"Der BRH greift mit erheblichen zeitlichen Abstand im Wesentlichen Punkte auf, die wir durch das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) und die Neuaufstellung der Bafin bereits letztes Jahr angegangen sind und auch dank des Rückenwinds aus dem Wirecard-Untersuchungsausschuss in Kürze erfolgreich umsetzen werden", hob sie hervor.

Zuvor hatte der FDP-Obmann im Wirecard-Untersuchungsausschuss, Florian Toncar, Finanzminister Olaf Scholz (SPD) angesichts der Kritik der Rechnungsprüfer eine persönliche Verantwortung vorgehalten. "Der Bundesrechnungshof wirft dem Bundesfinanzministerium dezidiert Versäumnisse bei der Rechts- und Fachaufsicht vor, und zwar sowohl in der Korrespondenz mit der Bafin als auch intern", sagte Toncar und betonte, "dass ich der Meinung bin, dass auch Olaf Scholz als Minister persönlich verantwortlich ist für die Aufsichtsversäumnisse bei Wirecard".


 
Prüfer: Handlungsoptionen nicht ausgeschöpft 

Keiner der Akteure - Bundesfinanzministerium (BMF), Bundesjustizministerium (BMJV), Deutsche Bundesbank, Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung - "hat die Brisanz des Falles Wirecard frühzeitig erkannt und seine Handlungsoptionen ausgeschöpft, um die Aufklärung mit Nachdruck voranzutreiben und Fehlverhalten zu unterbinden", erklären die Rechnungsprüfer in ihrem Gutachten, in das Dow Jones Newswires Einblick hatte. "Das BMF und das BMJV haben das Verfahren der Bilanzkontrolle zu keiner Zeit kritisch überprüft."

Das BMF habe sich im Fall Wirecard im Rahmen seiner Rechts- und Fachaufsicht über die Bafin zwar vom Geschäftsbereich Wertpapieraufsicht der Bafin berichten lassen. "Es hat jedoch insbesondere ab dem Frühjahr 2019 nicht nachgehalten, ob und wie die Bafin ihre verfügbaren Aufsichtsinstrumente ausschöpft." Zudem habe es das BMF versäumt, "im Haus vorliegende Informationen zeitnah innerhalb der für die Rechts- und Fachaufsicht über die BaFin zuständigen Abteilung VII zu verbreiten".

Der Rechnungshof hält es laut dem Gutachten "rückblickend für nicht abschließend feststellbar, ob ein anderes Verhalten der beteiligten Akteure den 'Fall Wirecard' hätte verhindern können". Er sei jedoch überzeugt, dass die Umsetzung seiner Empfehlungen zu einer wirksameren Allfinanzaufsicht beitrage. "Das BMF hat die Empfehlungen des Bundesrechnungshofes grundsätzlich befürwortet", räumt der Rechnungshof in dem Bericht ein. Es habe unabhängig davon bereits erste Reformen der deutschen Finanzaufsicht initiiert. Der angestrebte "Kulturwandel" müsse dazu führen, dass die Bafin ihre vorhandenen Aufsichtsinstrumente nutze und umfassend ausschöpfe.

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May 19, 2021 10:13 ET (14:13 GMT)