(neu: Aktienkurs aktualisiert im 3. Absatz, Aussagen aus Telefonkonferenz zu Aktienrückkäufen und Partnerschaften ab dem 9. Absatz.)

ASCHHEIM (dpa-AFX) - Das rasante Wachstum des Zahlungsabwicklers Wirecard stimmt den Dax-Neuling für das Gesamtjahr zuversichtlicher. Das wegen Bilanzierungsproblemen unter Druck stehende Management um Vorstandschef Markus Braun schraubt nach einem starken ersten Quartal die Erwartung an das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) in diesem Jahr auf 760 bis 810 Millionen Euro hoch, wie das Unternehmen am Mittwoch in Aschheim bei München mitteilte. Die Anhebung der Prognose ist bei Wirecard zwar fast schon Gewohnheit, diesmal hatten Börsianer das mehrheitlich aber nicht auf dem Zettel.

Vorher hatte Braun 740 bis 800 Millionen Euro angepeilt, Analysten kalkulierten im Schnitt mit 764 Millionen Euro und damit dem unteren Ende des neuen Ausblicks. Grund für die angehobene Prognose sei das Wachstum im eigenen Geschäft, aber auch jüngste Zukäufe, hieß es vom Unternehmen.

Die Aktie legte bis zum Nachmittag um rund 3 Prozent zu, nachdem der Kurs bereits am Vortag um mehr als 5 Prozent gestiegen war. Die teilweise befürchtete Kundenzurückhaltung sei trotz der vielen Störfeuer im ersten Quartal nicht eingetreten, schrieb Analyst Harald Schnitzer von der DZ Bank. Stattdessen habe Wirecard gut abgeschnitten.

Wirecard profitiert vom ungebrochenen Trend hin zu elektronischen Zahlungen vor allem beim Onlineshopping. Die Zahl der angeschlossenen Händler kletterte von rund 279 000 Ende des Vorjahrs auf 293 000. Das Transaktionsvolumen auf der eigenen Zahlungsplattform wuchs im ersten Quartal um gut 37 Prozent auf 36,7 Milliarden Euro. Hiervon behält Wirecard einen gewissen Anteil an Gebühren ein, laut Unternehmensangaben sind das zwischen 1,4 und 1,7 Prozent.

Im ersten Quartal kletterte der Umsatz von Wirecard im Jahresvergleich um knapp 35 Prozent auf 566,7 Millionen Euro, das operative Ergebnis sogar um fast 41 Prozent auf 158 Millionen Euro. Das war jeweils etwas mehr als an der Börse erwartet. Der weitaus größte Teil des Wachstums kam aus eigener Kraft, also ohne Zukäufe und Wechselkurseinflüsse. Beim Umsatz waren es organisch fast 33 Prozent Anstieg, beim operativen Ergebnis über 40 Prozent. Unter dem Strich stieg der Nettogewinn um die Hälfte auf 106 Millionen Euro.

Konzernchef Braun hatte während der Untersuchungen rund um fehlerhafte Buchungen einer Konzerntochter in Singapur immer wieder konstatiert, er sehe durch die Anschuldigungen keinerlei Auswirkung aufs Geschäft, das Management lasse sich in seiner Arbeit auch nicht aus der Bahn werfen.

Berichte zu Untersuchungen rund um Unregelmäßigkeiten in der "Financial Times" hatten Ende Februar eine deutliche Kursverluste von fast der Hälfte innerhalb weniger Tage zur Folge. Die Konzernspitze wiegelte zunächst ab, musste letztlich aber Fehler und "Qualitätsmängel" in der Buchhaltung einräumen - wenn auch in geringerer Höhe als in den "FT"-Berichten suggeriert. Vom Vorwurf systematischen Betrugs und krimineller Scheinbuchungen sieht sich Wirecard nach den eigens in Auftrag gegebenen Untersuchungen und kleineren Korrekturen in der Bilanz aber entlastet.

Der Aktienkurs hat sich inzwischen deutlich von den Tiefschlägen erholt, liegt aber trotzdem weiter unter dem Niveau von vor dem Bekanntwerden der Probleme. Braun ist mit rund 7 Prozent der Anteile der größte Aktionär des Unternehmens - sein Aktienpaket ist knapp 1,2 Milliarden Euro wert. Der geplante Einstieg des japanischen Konzerns Softbank über eine Wandelanleihe mit 900 Millionen Euro gab dem Aktienkurs jüngst noch einmal Schub.

Softbank gilt unter Tech-Mogul Masayoshi Son als einer der wichtigsten und größten Technologie-Investoren weltweit. Wirecard will mit dem neuen Partner an der Seite auch Zugang zu dessen Beteiligungen bekommen, um diese womöglich für sich als Kunden zu gewinnen. Mit bis zu acht von Softbanks Beteiligungen sei Wirecard schon im Gespräch, sagte Braun in einer Telefonkonferenz mit Analysten und Investoren. Zudem soll Softbank den Markteintritt in Japan und Südkorea erleichtern.

Das Geld aus dem Softbank-Einstieg will Wirecard unter anderem für Aktienrückkäufe und weitere Investitionen nutzen. Über mögliche Aktienrückkäufe mache sich das Unternehmen derzeit Gedanken, sagte Braun. In den kommenden zwei Monaten will das Unternehmen mehr dazu sagen. Sie dürften aber "bedeutend" ausfallen, stellte Braun in Aussicht.

Zudem peilt Braun weitere Kooperationen an. Die kürzlich bekanntgegebene Zusammenarbeit mit dem Messenger-Dienst und Whatsapp-Rivalen Telegram dürfte im zweiten Halbjahr in eine weit größere Allianz münden. Derzeit gebe es eine Tendenz, dass sich die Ökosysteme von Social-Media-Anbietern und die von Zahlungslösungen annäherten. Wirecard sei mit mehreren großen Anbietern aus dem Bereich im Gespräch.

In China hat sich etwa das mobile Bezahlen über Messenger-Apps auf dem Smartphone bereits etabliert, der WeChat-Dienst des chinesischen Tech-Riesen Tencent ist in den Megacities des Landes ein gebräuchliches Zahlungsinstrument. Zudem wird dem US-Onlinekonzern Facebook nachgesagt, an der Integration von Finanzlösungen in seine Angebote (Facebook, Whatsapp, Messenger, Instagram) zu arbeiten. Braun sagte, er sehe zudem bei Telekommunikationskonzernen und Versicherern großes Potenzial.

Mehr als die Hälfte der Zahlungsströme wickelt Wirecard mittlerweile außerhalb Europas ab. Wirecard rechnet bis ins Jahr 2021 mit einem Marktwachstum bei bargeldlosen Zahlungen von rund 14 Prozent pro Jahr. 2025 will das Unternehmen mehr als 710 Milliarden an Zahlungen jährlich abwickeln, der Umsatz soll auf über 10 Milliarden Euro klettern./men/mis/fba