(neu: Schlusskurse, weitere Analystenkommentare)

FRANKFURT (dpa-AFX) - Statt eines erhofften Befreiungsschlags durch die Sonderprüfung der Bilanz von Wirecard ist es am Dienstag für die Aktie des Zahlungsabwicklers steil bergab gegangen. Die jüngsten Erholungsgewinne nach dem Corona-Crash im Februar/März wurden damit größtenteils wieder ausradiert. Nach wie vor seien wesentliche Fragen ungeklärt, kritisierten Analysten mit Blick auf den Prüfbericht der KPMG. Einige stufen die Aktien nun ab. "Ein Freispruch sieht anders aus", brachte es NordLB-Analyst Wolfgang Donie auf den Punkt.

Das Wirecard-Papier brach am Nachmittag bis auf 94,46 Euro ein und ging mit einem Minus von mehr als einem Viertel bei 97,60 Euro aus dem Handel. Auf dem Höhepunkt der Virus-Panik Mitte März war die Aktie bis knapp unter 80 Euro abgesackt, bevor sie sich rasant erholte und am vergangenen Donnerstag wieder die Marke von 140 Euro übersprungen hatte.

Zwar sieht sich Wirecard selbst durch die Sonderprüfung weiter entlastet, allerdings konnten die Prüfer der KPMG zugleich einige wichtige Daten nicht einsehen. In einem wichtigen Teilaspekt der Prüfung konnten sich die Prüfer erst gar nicht zu einem Urteil durchringen. In einem wesentlichen von der "Financial Times" kritisierten Bereich blieben die Ergebnisse unbefriedigend. So kann die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG zur Höhe und zur Existenz der Umsätze aus dem sogenannten Drittpartnergeschäft in den untersuchten Jahren 2016 bis 2018 weder eine Aussage treffen, dass diese existieren und korrekt sind, noch, dass sie nicht existieren und nicht korrekt sind. "Insofern liegt ein Untersuchungshemmnis vor", hieß es seitens der Wirtschaftsprüfer.

"Wirecard legt die Ergebnisse seiner Sonderprüfung vor und lässt erneut Fragen offen", bemängelte Marktbeobachter Daniel Saurenz von Feingold Research. "Der Bericht klingt nicht wie ein Freispruch, sondern wie ein Freispruch aus Mangel an Beweisen." Auch Analyst Sandeep Deshpande von der Investmentbank JPMorgan ahnte in einer ersten Reaktion bereits, dass der Bericht die Zweifler nicht zufrieden stellen wird. Er verwies unter anderem auf die Aussagen von KPMG, dass nicht alle angeforderten Daten beschafft werden konnten und Wichtiges unklar geblieben sei.

Analyst Mirko Maier von der LBBW kappte nun seine Schätzungen für 2020 und damit auch sein Kursziel für Aktie von 175 auf 150 Euro. Bei seiner Kauf-Empfehlung blieb er allerdings, betonte aber, dass es nur für risikobewusste Investoren gelte. Wirecard, so schrieb auch er, sei es nicht gelungen, "für alle erhobenen Vorwürfe der FT voll entlastende Ergebnisse" zu liefern.

Die Experten der NordLB und der DZ Bank gingen noch einen Schritt weiter und strichen ihr Kauf-Urteil. Harald Schnitzer von der DZ Bank schrieb: "Das KPMG-Gutachten brachte für Wirecard nicht den erhofften Befreiungsschlag" und hob die KPMG-Aussage über Untersuchungshemmnissen hervor. Zudem verzögere sich auch die Publikation des Geschäftsberichts für 2019, was hohe Unsicherheit bedeute und die Risikoprämie steigen lasse. Sein fairer Wert liegt nun bei 105 Euro nach bisher 132,80 Euro.

Wolfgang Donie von der NordLB schrieb: "Ein Freispruch sieht anders aus." Der Zeitraum 2016 bis 2018 bleibe ein schwarzes Loch. Neuen Vorwürfen sei damit weiterhin Tür und Tor geöffnet, auch wenn dies auf das operative Geschäft nur wenig Einfluss haben dürfte./ck/ag/he