Die Finanzaufsicht Bafin nimmt den Zahlungsdienstleister Wirecard stärker ins Visier. "Selbstverständlich schauen wir uns in diesem Zusammenhang auch die Kommunikation von Wirecard unmittelbar vor dem Erscheinen des KPMG-Berichts an", sagte eine Bafin-Sprecherin am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters.

Nach der Veröffentlichung des KPMG-Berichts zu ihrer monatelangen Sonderprüfung war die Wirecard-Aktie abgestürzt. Denn anders als von dem Dax-Konzern erhofft, sahen die KPMG-Prüfer Vorwürfe der Bilanzmanipulation nicht vollständig ausgeräumt. Außerdem hielten sie dem Wirecard-Management vor, die Untersuchungen zum Teil behindert zu haben.

Eine Sprecherin des Zahlungsdienstleisters wies die unter anderem in mehreren Berichten der "Financial Times" (FT) erhobenen Vorwürfe der Bilanzmanipulation am Freitag erneut zurück. "Die Wirecard AG hat mehrfach ausgeführt, dass dem Unternehmen keine Informationen zugestellt wurden, die den in der FT erhobenen Vorwurf der unterstellten Bilanzmanipulation belegen würden. Dies ist wie im Ergebnisbericht von KPMG beschrieben bis heute Faktenlage", sagte sie. Zu den Untersuchungen der Bafin äußere sich Wirecard nicht.

Die Bafin ermittelt bereits seit Anfang 2019 in Sachen Wirecard und untersucht dabei auch, ob der Konzern den Kapitalmarkt rechtzeitig und vollständig über Insiderinformationen informiert hat. "Wir sehen uns den KPMG-Bericht in diesem Zusammenhang vor allem daraufhin an, ob er Aussagen dazu enthält, ob Wirecard möglicherweise veröffentlichungspflichtige Informationen zurückgehalten oder darüber falsch informiert hat", bestätigte die Sprecherin einen Vorabbericht des "Spiegel". "Soweit wir Anhaltspunkte dafür finden, erstatten wir auch hierzu Anzeige bei der Staatsanwaltschaft." Bereits im April 2019 hatte die Bafin wegen Leerverkaufs-Attacken Anzeige gegen Investoren und Journalisten erstattet.

Wirecard sah sich in Medienberichten wiederholt dem Vorwurf der Bilanzmanipulation ausgesetzt. Um diese zu entkräften, hatte der Aufsichtsrat im Herbst KPMG mit einer Sonderprüfung beauftragt. Die Vorlage der Ergebnisse verzögerte sich immer wieder, am 28. April wurde der KPMG-Bericht dann veröffentlicht.

Wenige Tage zuvor hatte Wirecard in Pflichtmitteilungen an die Börse zu der Sonderprüfung erklärt, es hätten sich nach derzeitigem Stand keine Belege für die öffentlich erhobenen Vorwürfe der Bilanzmanipulation ergeben. Auch zur Veröffentlichung des KPMG-Berichts erklärte Wirecard, die Wirtschaftsprüfer hätten keine "belastenden Belege" für die Vorwürfe der Bilanzmanipulation gefunden und es hätten sich keine "substanziellen Feststellungen" ergeben, die zu einem Korrekturbedarf der Jahresabschlüsse von 2016 bis 2018 führten.

KPMG - KÖNNEN NICHT SAGEN, OB UMSÄTZE EXISTIEREN ODER NICHT

Im veröffentlichen Untersuchungsbericht von KPMG hieß es dagegen, KPMG könne im Bereich Drittpartnergeschäft keine Aussage treffen, dass bestimmte Umsatzerlöse existierten und der Höhe nach korrekt seien; noch sei auch das Gegenteil möglich. Grund für diese Unsicherheit sei, dass sich notwendige Unterlagen im Besitz der Dritt-Partner befänden und deren Bereitschaft gefehlt habe, an der Prüfung mitzuarbeiten. Auch Wirecard selbst warf KPMG im Prüfbericht ein mangelhafte Zusammenarbeit vor. Wirecard habe angeforderte Dokumente teilweise nicht oder erste mehrere Monate nach Anforderung geliefert, vereinbarte Interviewtermine mit wesentlichen Wirecard-internen Ansprechpartnern seien mehrfach verschoben worden.

Die Vorwürfe gegen den Dax-Konzern halten Investoren, Wirecard und die Finanzaufsicht Bafin schon seit über einem Jahr in Atem. Bislang ist die Bafin aber erst gegen Investoren und Journalisten vorgegangen, die sie im April 2019 wegen Leerverkaufs-Attacken bei der bei der Staatsanwaltschaft München I anzeigte. Sie sollen den Aktienkurs manipuliert haben. Zudem hatte die Bafin im Februar 2019 nach einer Achterbahnfahrt der Wirecard-Aktie für zwei Monate Leerverkäufe der Wirecard-Aktie verboten und damit erstmals Wetten auf einen fallenden Kurs einer bestimmten Aktie untersagt. Wegen dieses ungewöhnlichen Schritts sah sich die Bafin massiver Kritik ausgesetzt.

Für Leerverkäufe leihen sich Investoren Aktien und verkaufen sie in der Erwartung, dass der Kurs fällt und sie die Titel billiger zurückerwerben können, um sie danach dem Inhaber zurückzugeben. Das ist zwar üblich und legal, kann aber auch mit kriminellen Hintergedanken geschehen.