- von Christian Krämer

Der parlamentarische Untersuchungs-Ausschuss im Wirecard-Bilanzskandal soll in erster Linie Versäumnisse der Bundesregierung und ihrer Behörden aufzeigen.

FDP, Linke und Grüne stellten am Donnerstag in Berlin den Antrag vor, mit dem sie das Sondergremium im Bundestag erzwingen wollen. Der Untersuchungsausschuss dürfte im Oktober starten und sich bis zum Juni 2021 hinziehen - und damit bis wenige Monate vor die nächste Bundestagswahl. "Wir wollen, dass es besser läuft", sagte Grünen-Finanzpolitiker Danyal Bayaz. Es müssten die Weichen gestellt werden, damit sich ein solcher Fall nicht wiederhole. Aufklärung sei dafür die Voraussetzung.

FDP-Vertreter Florian Toncar sagte, interessant seien vor allem Dokumente aus dem Kanzleramt und interne Papiere der Aufsichtsbehörde BaFin. Außerdem könnten weitere Zeugen vorgeladen werden, nachdem Finanzminister Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier bereits im Finanzausschuss Rede und Antwort gestanden haben.

Eine konkrete Zeugenliste wurde nicht vorgelegt. Vorstellbar sind nach Angaben von Grünen und Linken Bayerns Ministerpräsident Markus Söder wegen der dortigen Geldwäscheaufsichtsbehörden sowie Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und der frühere Geheimdienst-Koordinator Klaus-Dieter Fritsche. Letztere haben für Wirecard im Kanzleramt geworben. "Ich hielte es durchaus für angemessen, auch die Bundeskanzlerin persönlich mal zu konfrontieren mit ihrer Rolle", sagte Linken-Politiker Fabio De Masi. Angela Merkel hat sich bei einer China-Reise im September 2019 für Wirecard eingesetzt, obwohl es damals schon Medienberichte über Ungereimtheiten bei Wirecard gab.

Der Zahlungsabwickler aus dem Münchner Umland war im Juni nach Bekanntwerden milliardenschwerer Luftbuchungen in die Pleite gerutscht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen Bilanzfälschung, Betrug, Marktmanipulation und Geldwäsche. Es ist einer der größten Finanzskandale der Nachkriegszeit.

"DAS IST KEIN SCHOLZ-TRIBUNAL"

In dem vorgelegten Antrag heißt es, es solle unter anderem geklärt werden, ob Regierung und Behörden ihren Pflichten nachgekommen seien und ob sie Straftaten und Manipulationen früher hätten entdecken können. Bayaz sagte, Ziel sei es, die richtigen Schlüsse für Reformen der Finanzaufsicht zu ziehen. In der Kritik stehen vor allem BaFin und Scholz. Der SPD-Kanzlerkandidat will der Bonner Behörde mehr Eingriffsrechte geben und sieht primär Wirtschaftsprüfer in der Verantwortung, die über Jahre die Wirecard-Bilanzen testiert haben.

"Es ist schwer begreifbar, warum es den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften nicht gelungen ist, das aufzudecken", so Scholz zuletzt. Er will, dass diese öfter rotieren und es eine klarere Trennung zwischen Prüfung und Beratung gibt. Scholz will den U-Ausschuss unterstützen - nicht aber die Ergebnisse abwarten. "Was nicht passieren darf: Dass der Reformeifer ausgebremst wird mit dem Hinweis, man müsse jetzt erstmal abwarten, bis der Ausschuss seine Untersuchung abgeschlossen hat - denn dann ist das Fenster für Reformen zu", sagte er diese Woche zu Reuters.

Toncar zufolge wird es auch um CDU-Politiker Altmaier und die Rolle der bayerischen Behörden gehen. "Es ist kein Scholz-Tribunal." Scholz müsse sich aber natürlich in seinem Fachbereich beweisen, wenn er Kanzler werden wolle, ergänzte De Masi. "Das ist kein Ponyhof."

FDP, Grüne und Linke haben genügend Stimmen, um den Untersuchungs-Ausschuss zu erzwingen. Das Gremium soll aus 18 Mitgliedern bestehen - sechs für CDU/CSU, vier für die SPD sowie jeweils zwei Sitze für AfD, Linke, Grüne und FDP. Der Ausschussvorsitz dürfte nach dem üblichen Rotationsprinzip an die rechtspopulistische AfD gehen.