Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Der Wirecard-Untersuchungsausschuss hat Ordnungsgelder gegen mehrere Zeugen verhängt, weil sie trotz Befreiung von ihrer Verschwiegenheitspflicht jede Aussage im Zusammenhang mit dem insolventen Zahlungsdienstleister verweigert haben. Die Abgeordneten hätten "auf Granit gebissen, als sie sich mit der Rolle der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY" bei dem Finanzdienstleister beschäftigen wollten, teilte der Bundestags-Pressedienst mit.

Für zwei Spitzenmanager, die "zahllose Fragen an sich abprallen ließen und sich nur abstrakt zur Prüfthematik äußerten", sei jeweils ein Ordnungsgeld von 1.000 Euro verhängt worden. Dies sind laut Abgeordneten die EY-Manager Christian Orth und Stefan Heissner. 1.000 Euro muss demnach auch der Berater Frank Stahl von der Firma Baker Tilly zahlen. Ergeht Einspruch gegen diese Ordnungsgelder, muss der Fall direkt vom Bundesgerichtshof geklärt werden, war zuvor bereits aus dem Ausschuss verlautet.

Die Zeugen sprachen den Angaben zufolge von der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung, wenn sie sich nicht an ihre Verschwiegenheitspflicht hielten. Davon waren sie zwar vom Insolvenzverwalter und der neuen Unternehmensspitze befreit worden. Doch die ursprünglichen Auftraggeber - die alte Unternehmensführung um den inhaftierten Ex-Chef Markus Braun und den flüchtigen Ex-Vorstand Jan Marsalek - müssten dies auch tun, argumentierten die Anwälte der Manager den Angaben zufolge.

Vor den Aussageverweigerungen hatte die Befragung des KPMG-Prüfers Alexander Geschonneck in der insgesamt 14stündigen Sitzung nach Darstellung von Ausschussmitgliedern den Druck auf den jahrelangen Abschlussprüfer EY erhöht. "Der Auftritt von Alexander Geschonneck hat sehr klar die eklatanten Defizite bei den Jahresabschlussprüfungen der Wirecard AG offen gelegt", sagte der Grünen-Politiker Danyal Bayaz.


   Erhebliche Zweifel an Unterlagen 

Der SPD-Abgeordnete Jens Zimmermann erklärte, nach den Aussagen Geschonnecks "verdichtet sich ein klares Bild: Millionen und Milliarden der Wirecard AG auf Konten in Singapur und den Philippinen haben nie existiert". Es bestehe erheblicher Zweifel, "ob dem jahrelangen Abschlussprüfer EY jemals geeignete Unterlagen vorlagen, um die Existenz der Konten zu bestätigen". Deutlich geworden sei auch, dass der Wirecard-Betrug "bei einer ordnungsgemäßen Abschlussprüfung aufgeflogen" wäre.

Geschonneck, der die Sonderuntersuchung von KPMG bei Wirecard geleitet hatte, schilderte zu Beginn der bis Freitagmorgen um 3.30 Uhr dauernden Ausschusssitzung laut Bundestag, wie den Prüfern von dem Unternehmen "erhebliche Hürden und Hindernisse" aufgebaut worden seien. Unterlagen seien zu spät geliefert worden, Terminvereinbarungen geplatzt. Er sprach laut den Angaben von "zahlreichen Untersuchungshemmnissen".

Vor dem Ausschuss schilderte der Wirtschaftsinformatiker demnach, wie sein zeitweise 40-köpfiges Team angeblichen Konten und Kunden von Wirecard in Asien nachgespürt habe. Für deren Existenz habe es "keine ausreichenden und angemessenen Nachweise" etwa für Umsatzerlöse, Überweisungen oder Händlerbeziehungen gegeben.

Er berichtete laut den Angaben auch von einer Reise im März nach Manila, wo die KPMG-Untersucher Belege sichern wollten. In zwei Bankfilialen sei ihnen nur mündlich versichert worden, dass es Konten gebe, die ein Treuhänder für Wirecard eingerichtet habe. Zugesagte schriftliche Unterlagen seien nie gekommen.

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November 27, 2020 06:15 ET (11:15 GMT)