Von Carol Ryan

LONDON (Dow Jones)--Manche vielversprechenden Modetrends entpuppen sich als bloße Modeerscheinungen. So ist es auch mit dem Ansturm auf den Online-Kleiderkauf während der Pandemie. Das schwierige Erbe für E-Commerce-Modemarken ist, dass ihre Gewinnspannen geringer sind als je zuvor, während traditionelle Einzelhändler wie Zara genauso digital versiert geworden sind. Europas größtes E-Commerce-Unternehmen für Bekleidung, Zalando, gab diese Woche bekannt, dass der Umsatz im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 2,9 Prozent zulegte. Und einer seiner Hauptkonkurrenten, Asos, meldete kürzlich, dass sich der Umsatz in den zwölf Monaten bis August um nur 2 Prozent erhöht hat. Vor einem Jahr wuchsen beide Marken noch mindestens achtmal so schnell wie heute.

Die Eintrübung kam schneller als erwartet. In den von der Pandemie betroffenen Jahren 2020 und 2021, in denen die Geschäfte teilweise geschlossen waren, wurden 26 Prozent aller europäischen Bekleidungs- und Schuhverkäufe online getätigt. Dies war ein Anstieg von den 17 Prozent im Jahr 2019, was darauf hindeutet, dass der E-Commerce in nur zwölf Monaten Marktanteile in einer Größenordnung hinzugewonnen hat, für die sonst sieben Jahre nötig sind. Ein Großteil dieser Entwicklung hat sich nun umgekehrt. Nach Schätzungen der Bank of America werden die Online-Verkäufe im Jahr 2022 etwa 22 Prozent des europäischen Modemarktes ausmachen - nur 1 Prozentpunkt über dem Wert, der erwartet wurde, wenn es die Pandemie nicht gegeben hätte. Das ist nicht das Szenario, auf das sich die Online-Modemarken eingestellt hatten. Wie die meisten Bekleidungshändler haben sie viel zu viel Lagerbestand, was ihre Kosten in die Höhe treibt. Asos muss Lagerbestände im Wert von bis zu 130 Millionen britischen Pfund abschreiben, oder umgerechnet knapp 150 Millionen Euro, was 3,3 Prozent der letztjährigen Einnahmen entspricht. Zalando hat etwa ein Sechstel mehr Lagerbestände als im vergangenen Jahr zu dieser Zeit. Die Kunden können in diesem Weihnachtsgeschäft mit Schnäppchen rechnen, da die Einzelhändler versuchen, überschüssige Lagerbestände abzubauen.


   Branche operiert mit hauchdünnen Gewinnmargen 

Dies wird den Gewinnspannen nicht helfen, die bereits unter dem jüngsten Anstieg der Transport- und Arbeitskosten litten. Die operative Marge von Asos sank im vergangenen Geschäftsjahr auf minus 0,2 Prozent, gegenüber bereits mageren plus 1,3 Prozent vor drei Jahren. Derweil wird die operative Marge von Zalando laut Factset im Gesamtjahr voraussichtlich nur 1,5 Prozent betragen und damit mehr als ein Drittel unter dem Wert von vor drei Jahren liegen. Zum Vergleich: Inditex, das Unternehmen, zu dem Zara gehört, erwartet für dieses Geschäftsjahr eine gleichbleibende Marge wie 2019. Dünnere Margen als je zuvor in einem schwierigen Finanzierungsumfeld werden E-Commerce-Marken dazu zwingen, ihre Kosten auf eine Weise zu senken, die ihre Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen könnte. Sowohl Asos als auch Zalando schrauben ihre Investitionsbudgets derzeit nach unten, wobei Asos die Pläne zur Automatisierung seiner Lagerhäuser verschiebt - eine Initiative, die das Wachstum ankurbeln und das Unternehmen profitabler machen sollte.

Sie erwägen auch, von den Kunden mehr für die Lieferung zu verlangen, oder haben bereits Mindestbestellwerte eingeführt. Traditionelle Einzelhändler wie Zara und H&M bieten jedoch in vielen Märkten bereits ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis für Online-Käufer, nachdem sie während der Pandemie Geld in ihre digitalen Geschäfte gesteckt haben. In Großbritannien und den USA haben die beiden traditionsreichen Einzelhändler eine schnellere Standardlieferung als Asos in petto, wie eine Analyse von RBC zeigt. Die Lieferzeit von Asos in Atlanta, Georgia, beträgt bis zu sechs Tage und ist damit doppelt so lang wie noch Ende 2019. Eine Zeit lang sah es so aus, als würde die Pandemie das Spiel für Online-Modemarken verändern. In Wirklichkeit hat sie die Probleme mit ihrem margenschwachen und kostenintensiven Geschäftsmodell noch verstärkt. Der Schmerz wird sich noch verstärken, da die Kunden weniger ausgeben wollen und sich anderswo umsehen.

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November 04, 2022 10:43 ET (14:43 GMT)