Von Carol Ryan

NEW YORK (Dow Jones)--Die Menschen machen eine Atempause vom Online-Shopping. Amazon ist das sichtbarste Opfer, aber auch das riesige Lagerhaus-Ökosystem, das zu seiner Unterstützung entstanden ist, könnte betroffen sein.

Die Verbraucher sind wieder dazu übergegangen, Waren in Geschäften zu kaufen, was das rasante Wachstum des Onlinehandels verlangsamt, das während der Pandemie zu beobachten war. Das Immobilienforschungsunternehmen Green Street stellt jedenfalls fest, dass die stationären Verkäufe in den USA in vier aufeinanderfolgenden Quartalen schneller gestiegen sind als die Online-Käufe. Mehrere europäische Online-Händler, darunter die Mode-Website Zalando und die Möbelmarke Made.com, haben in den vergangenen Wochen wegen eines plötzlichen Nachfragerückgangs Gewinnwarnungen herausgegeben.

Amazon berichtete Anfang des Jahres, dass es während der Pandemie übermäßig expandierte und seine Lagerfläche in den USA innerhalb von zwei Jahren fast verdoppelte. Seitdem hat das Unternehmen 28 Lieferzentren in den USA geschlossen oder deren Eröffnung abgesagt und den Start von weiteren 15 Zentren verschoben, um Kosten zu sparen. Dies geht aus Daten des Beratungsunternehmens für Lieferketten MWPVL International hervor, das die Umstrukturierung verfolgt.

Amazon war im vergangenen Jahr für etwa 15 Prozent der Nettoabsorption von Industrieflächen in den USA verantwortlich, so dass die Lagerbestände unweigerlich in Mitleidenschaft gezogen wurden. Prologis-Aktien, die mit zu den wertvollsten Gewerbeimmobilienaktien der Welt gehören, sind seit Jahresbeginn um 25 Prozent in den Keller gerauscht. Sie haben sich damit schlechter entwickelt als breite Gewerbeimmobilienindizes wie der EPRA-Nareit-USA-Index, der um fast ein Fünftel gefallen ist. Die britische Segro-Aktie ist um 26 Prozent auf Tauchkurs gegangen.


Verblüffend hohe Auslastungsquote der Lagerhäuser 

Noch hat die allgemeine Verlangsamung des E-Commerce keine Auswirkungen auf die Leasingaktivitäten. Prologis meldete diese Woche ordentliche Ergebnisse für das zweite Quartal und erwartet, dass die Marktmieten bis 2022 weltweit um 23 Prozent zulegen. Die Auslastung der Lagerhäuser des Unternehmens liegt bei fast 98 Prozent, und 71 Prozent der im nächsten Jahr auslaufenden Mietverträge sind entweder vorvermietet oder werden gerade verhandelt - weit über dem Durchschnitt des Unternehmens in der Vorpandemie. Da die Verbraucher jedoch weniger Zeit online verbringen und als Reaktion auf die Inflation weniger nicht lebensnotwendige Güter kaufen, könnten die CEOs bei der Anmietung neuer Flächen vorsichtig werden.

Green Street schätzt, dass der europäische Onlinehandels-Umsatz bis zum Jahr 2025 jährlich um 11 Prozent wächst, gegenüber einer früheren Schätzung von 14 Prozent. Für die USA wird erwartet, dass sich die Online-Verkäufe im gleichen Zeitraum jährlich um 7 Prozent verbessern. Dies bedeutet, dass der Anteil der E-Commerce-Mieter an den Neuvermietungen geringer sein wird, ein Trend, der sich bereits in den Ergebnissen von Prologis abzeichnet.

Dennoch könnten Anleger, die gegen den Strom schwimmen, ein Argument für den Kauf von Lagerhaus-Aktien finden. Die Online-Verkäufe werden längerfristig immer noch größer sein als die Einkäufe in den Geschäften. Und während einige Einzelhandelsunternehmen wie Target heute zu viele Lagerbestände haben, werden andere mehr Lagerflächen benötigen, um die Risiken in der globalen Lieferkette auszugleichen.

Auch die hohen Transportkosten können die Nachfrage nach Lagern in der Nähe von Ballungszentren fördern, da es immer teurer wird, Waren über große Entfernungen zu navigieren. Die Transportkosten machen etwa 50 bis 70 Prozent der gesamten Logistikausgaben aus, während die Kosten für feste Einrichtungen einschließlich Immobilien bis zu 6 Prozent betragen, wie Daten von CBRE Supply Chain Advisory zeigen.


Lagerhäuser-Aktien kommen in Rezessionen besonders unter die Räder 

Die Eigentümer von Lagerhäusern haben in früheren Konjunkturabschwüngen nicht gut abgeschnitten. Distributionszentren gehören zu den am schnellsten zu bauenden Gewerbeimmobilien, so dass das Angebot in einer Rezession schnell die Nachfrage übersteigen kann. Dennoch sind die Leerstandsquoten heute viel niedriger als vor der Dotcom-Pleite und der globalen Finanzkrise. In den USA stehen weniger als 5 Prozent der Industrieimmobilien leer, verglichen mit 10 Prozent im Jahr 2007. In Europa ist die Zahl sogar noch niedriger. Der pandemische Lagerhausboom ist zwar vorbei, was aber nicht unbedingt auf eine Flaute hindeutet.

Kontakt zur Autorin: unternehmen.de@dowjones.com

DJG/DJN/axw/jhe

(END) Dow Jones Newswires

July 22, 2022 10:23 ET (14:23 GMT)