PARIS/LONDON (awp international) - Nach einem Aufbäumen der europäischen Börsen zu Wochenbeginn haben die Virusängste wieder mit voller Wucht zugeschlagen. Erstmals wieder seit August 2019 schloss der EuroStoxx 50 am Freitag unter der Marke von 3300 Punkten.

"Die Nerven der Anleger liegen blank", sagte Analyst Jochen Stanzl vom Handelshaus CMC Markets. Angesichts der zunehmenden Verbreitung des neuartigen Corona-Virus in immer mehr Staaten sei die Lage unübersichtlich. Die Verunsicherung bleibt hoch, so dass auch die starken US-Arbeitsmarktdaten für Februar keine ernsthafte Beachtung fanden.

Der Leitindex der Eurozone beendete den Handel mit minus 3,91 Prozent auf 3232,07 Punkte und damit auf dem tiefsten Stand seit Mitte Februar 2019. Seit Wochenbeginn verlor er rund 3 Prozent. Die zwei vorangegangenen Februarwochen hinzugerechnet, beläuft sich das Minus wegen der Sorgen um die Auswirkungen der Viruskrise bereits auf rund 16 Prozent.

Der Kursrutsch erstreckte sich am Freitag auf alle wichtigen Länderbörsen: In Paris rutschte der Cac 40 um 4,14 Prozent auf 5139,11 Zähler ab. Der Londoner FTSE 100 büsste 3,62 Prozent auf 6462,55 Punkte ein.

Laut Marktanalyst Milan Cutkovic vom Broker Axitrader konnten die vor einigen Tagen noch als Stütze angesehenen Massnahmen von Notenbanken und Regierungen den Markt nicht nachhaltig entlasten. Billiges Geld und Hilfspakete linderten nur die Symptome, aber nicht die Ursache, gab der Experte zu bedenken. Sowohl humanitär als auch wirtschaftlich seien die wirklichen Folgen nach wie vor nicht absehbar.

Weltweit sind mittlerweile mehr als 100 000 Coronavirus-Infektionen bestätigt. In Europa waren bis Donnerstagabend nach Angaben der europäischen Seuchenbehörde ECDC rund 4200 Infektionen registriert.

Der Ausverkauf an den Börsen erstreckte sich am Freitag über alle Branchen hinweg. Insbesondere traf es dieses Mal den Öl- und Gassektor , der um 5,5 Prozent einbrach. Die Ölpreise waren rasant auf Talfahrt gegangen, als gemeldet wurde, dass die Verhandlungen zur Drosselung der künftigen Fördermenge führender Ölstaaten gescheitert sind. Wie Medien unter Berufung auf Delegierte berichteten, hatte sich Russland der Einigung auf eine neue Förderbegrenzung widersetzt. Eni büssten im EuroStoxx 6,7 Prozent ein, Engie 5,0 Prozent und Total 4,9 Prozent. In London verloren BP 5,2 Prozent und auch Shell büssten mehr als 5 Prozent ein.

Weiter abwärts ging es auch für Aktien der Flug- und Reisebranche . Nach dem jüngsten Ausverkauf gab der Teilsektor allerdings mit minus 2,1 Prozent unterdurchschnittlich nach. Tui gaben um weitere 1,4 Prozent nach und haben seit Jahresbeginn damit bereits 44 Prozent verloren. Für Carnival, die an diesem Freitag 7,1 Prozent einbüssten, steht ein Minus von fast 46 Prozent seit Jahresbeginn zu Buche.

Stark zu spüren bekommt die Flaute in der Flugbranche - mit reihenweise gestrichenen Flügen - auch der Flugzeugbauer Airbus , dessen Aktien nun um 7,6 Prozent absackten. Nach einem starken Januar kamen im Februar keine Flugzeugbestellungen mehr herein, wie der Konzern mitteilte. Der Druck erstreckte sich auch auf die Zulieferindustrie mit Abgaben von 5,6 Prozent beim französischen Tech-Unternehmen und Triebwerksbauer Safran .

Die Folgen der Virus-Epidemie zeigen sich auch beim Brillenkonzern EssilorLuxottica , der sich für das erste Halbjahr auf ein gebremstes Umsatzwachstum einstellt. Auch wenn die vorgelegten Jahreszahlen bei Experten auf positives Feedback stiessen, hatte der eingetrübte Ausblick einen Kursverlust von fast 4 Prozent zur Folge./ck/fba