PARIS/LONDON (awp international) - Die Anleger an den wichtigsten europäischen Börsen haben sich am Donnerstag vor der Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) zurückgehalten. Die Gewinnmitnahmen hielten sich angesichts der zuletzt wieder sehr kräftigen Erholung jedoch in Grenzen. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 gab gegen Mittag um 0,69 Prozent auf 3247,07 Punkte nach.

Auch an den grossen Länderbörsen ging es etwas abwärts. In Paris sank der Cac 40 um 0,68 Prozent auf 4988,18 Punkte. Der britische Leitindex FTSE 100 büsste 0,37 Prozent auf 6358,80 Zähler ein.

Marktanalyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets führte die Vorsicht der Anleger auch darauf zurück, dass die Messlatte für Nachrichten mittlerweile sehr hoch liege. Nur überdurchschnittlich gute Nachrichten könnten die Aktienmärkte noch antreiben. "Die EZB könnte mit etwas moderateren Tönen eine Korrektur einläuten. Zu hohe Aktienkurse und spekulative Exzesse sind den Notenbankern ohnehin ein Dorn im Auge."

Mit Blick auf die EZB an diesem Tag halten es viele Fachleute für möglich, dass die Währungshüter am frühen Nachmittag eine deutliche Aufstockung des Krisen-Anleihekaufprogramms (PEPP) beschliessen. Spekuliert wird auf eine Ausweitung um 500 Milliarden auf dann 1,25 Billionen Euro und eine Verlängerung der Laufzeit bis ins kommende Jahr.

Branchenweit gab es in Europa fast nur Verlierer, wobei der Autosektor mit minus 2,4 Prozent am deutlichsten nachgab. Ein wesentlicher Grund dafür waren die nun bekannt gewordenen Hilfspläne der grossen Koalition in Deutschland in der Corona-Krise. Vor allem die Entscheidung gegen Kaufprämien auch für neuere Verbrenner-Antriebe sei eine Enttäuschung gewesen, sagten Börsianer.

Daimler gaben am EuroStoxx-Ende um rund 4 Prozent nach, Volkswagen verloren knapp 2 Prozent. Die im Cac 40 notierte Aktie von Renault büsste 3 Prozent ein. RBC-Analyst Tom Narayan hat das Papier auf "Sector Perform" abgestuft. Er begründete dies mit der angekündigten Umstrukturierung und dem Festhalten an der Nissan -Kooperation, statt die Beteiligung an dem japanischen Autobauer zu Geld zu machen.

Die einzigen beiden Branchen, die sich knapp im Plus hielten, waren der als defensiv geltende Gesundheits- und Pharmasektor sowie der Lebensmittel- und Getränkesektor . Die Papiere des Schweizer Pharmakonzerns Roche indes gaben nach einem freundlichen Start zuletzt 0,6 Prozent ab. Ein Test des Unternehmens für Patienten mit bestätigter Covid-19-Erkrankung erhielt von der US-Gesundheitsbehörde FDA eine Notfallzulassung.

LVMH verloren im EuroStoxx 1,6 Prozent und gaben damit einen Grossteil ihrer Vortagesgewinne wieder ab. Der französische Luxuskonzern wies erneut Spekulationen zurück, er wolle Aktien des Übernahmeziels Tiffany am freien Markt kaufen. Der Verwaltungsrat habe sich in seiner jüngsten Sitzung auf die Auswirkungen der Coronavirus-Krise konzentriert, hiess es. Dabei sei es auch um den möglichen Einfluss der Pandemie auf die Geschäftszahlen und Perspektiven von Tiffany im Lichte der Vereinbarung beider Unternehmen gegangen. Ob es die Möglichkeit einer Nachverhandlung des Übernahmepreises gibt, sagte LVMH nicht./ck/mis