Adidas stemmt sich gegen den Zusammenbruch großer Teile seines Geschäfts in der Coronakrise.

Weil 70 Prozent seiner Läden weltweit geschlossen sind, versucht der zweitgrößte Sportartikelkonzern hinter Nike das Online-Geschäft anzukurbeln und die sich in den Lagern türmenden Trainingsanzüge, Turnschuhe und T-Shirts loszuwerden. "Wir konzentrieren uns derzeit auf die Bewältigung der Situation und verstärken den Einsatz, um von der Erholung in China und den Möglichkeiten im E-Commerce zu profitieren", sagte Vorstandschef Kasper Rorsted am Montag. Für das zweite Quartal, in dem die Viruskrise fast die ganze Welt erfasst hat, erwartet der Konzern einen dreistelligen Millionenverlust und mehr als 40 Prozent weniger Umsatz. Im April habe man bereits eine Milliarde Euro Umsatz verloren.

Um die Krise unbeschadet zu überstehen, hatte sich Adidas vor zwei Wochen einen Notfallkredit über drei Milliarden Euro besorgt, wovon die staatliche Förderbank KfW allein 2,4 Milliarden Euro gibt. Dass ausgerechnet der Vorzeige-Konzern als erstes Dax-Unternehmen beim Staat anklopfen würde, hatte Politiker erstaunt. "Kein Zweifel, wir brauchten den Kredit", sagte Rorsted nun. Gut 1,4 Milliarden Euro hat Adidas von Januar bis März verbrannt, weil sich die Ausgaben nicht so rasch stoppen ließen, wie der Umsatz wegbrach. Auch im zweiten Quartal werde unter dem Strich Geld abfließen. Stellenstreichungen will Rorsted nicht ausschließen, konkrete Pläne dazu gebe es aber nicht.

Insgesamt habe Adidas nun einen Finanzpuffer von mehr als vier Milliarden Euro. Der Staatskredit solle schnellstmöglich getilgt werden, betonte Rorsted, "am besten, indem das Geschäft anzieht", womöglich aber auch über eine Anleihe. Bis zur Rückzahlung - spätestens in 15 Monaten - darf Adidas keine Dividende zahlen. Sich sofort Geld über eine Anleihe zu beschaffen, sei nicht machbar gewesen, räumte der Vorstandschef ein - auch weil Adidas als eines von wenigen Dax-Unternehmen kein Kreditrating hat, das Investoren Vertrauen geben könnte. Das soll sich nun ändern, wie Finanzvorstand Harm Ohlmeyer ankündigte.

IN CHINA FEHLEN 800 MILLIONEN EURO UMSATZ

Im ersten Quartal war der Umsatz um knapp ein Fünftel auf 4,75 Milliarden Euro geschrumpft. In China musste ein Großteil der Läden für Wochen schließen, um die Ansteckungsgefahr nach dem Ausbruch des Coronavirus in der Millionenstadt Wuhan einzudämmen. Das allein habe 800 Millionen Euro Umsatz gekostet. 2019 war China für Adidas mit einem Umsatz von 23 Prozent der größte Markt - und der weitaus profitabelste. "Wir werden nicht so schnell wieder dahinkommen, wo wir vorher waren", räumte Rorsted ein. Unter dem Strich blieb Adidas zwischen Januar und März nur ein knapper Gewinn von 20 Millionen Euro - ein Jahr zuvor waren es 631 Millionen. Wie lange die Ladenschließungen dauerten, sei nicht absehbar, eine Gewinnprognose daher nicht möglich. In Europa haben die ersten 20 Adidas-Läden seit einer Woche wieder geöffnet - von mehr als 2500 weltweit.

Die Adidas-Aktie drehte ins Plus und notierte mit 208,40 Euro 1,5 Prozent fester. "Die Zahlen sind abgehakt. Man handelt die Zukunft und hofft, dass es wieder aufwärts geht", sagte ein Händler. "Wenn sich die Börsen erholen, wird Adidas sicher überdurchschnittlich zulegen."

Im operativen Geschäft muss Adidas nun die Scherben zusammenkehren: Die Lagerbestände sind im ersten Quartal um 36 Prozent gewachsen, weil die Ware für das Frühjahr längst bestellt und in Asien produziert war. Was ging, wurde gestoppt oder auf später verschoben. In China holte Adidas sogar Waren von den Händlern zurück, was zusammen mit den Stornierungen und Abschreibungen 250 Millionen Euro Gewinn kostete. Die Lager sollen teilweise - mit Rabatten - über den Fabrikverkauf und die Online-Kanäle geräumt und teilweise 2021 neu in den Verkauf gebracht werden, wie Ohlmeyer sagte.

Bis dahin setzt Adidas ganz auf China - und auf den Online-Verkauf. "Das sind die einzigen Läden weltweit, die rund um die Uhr offen sind", sagte der Finanzchef. Bereits im März zog der Umsatz im Internet um 55 Prozent an. In China habe er sich im April sogar mehr als verdoppelt. "Wenn wir E-Commerce nicht gehabt hätten, sähen die Zahlen noch viel schlechter aus", so Rorsted. Adidas werde die Ausgaben etwa für Werbung daher stark auf den Online-Handel ausrichten und den Internet-Umsatz schon in diesem Jahr auf mehr als vier (2019: drei) Milliarden Euro schrauben - das wäre mehr als die 20 Prozent vom Gesamtumsatz, die sich Adidas für 2020 eigentlich vorgenommen hatte.

Weit in die Zukunft blicken will Rorsted vorerst nicht: Die Vorstellung der neuen Strategie für die nächsten fünf Jahre, die er für November angekündigt hatte, ist auf März 2021 verschoben.