FRANKFURT (awp international) - Die Vollbremsung beim Brexit und drohende Neuwahlen in Grossbritannien haben den Dax am Mittwoch nur mässig beeindruckt. Der deutsche Leitindex schaffte es nach einem verhaltenen Auftakt auf ein neues Hoch seit Juli vergangenen Jahres, wo ihm allerdings schnell die Kraft ausging - am Nachmittag stand noch ein Plus von 0,06 Prozent auf 12 762,57 Punkte zu Buche. Der MDax für mittelgrosse Werte verlor zuletzt 0,40 Prozent auf 26 141,29 Punkte und der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 sank um 0,28 Prozent auf 3594,77 Zähler.

Marktanalyst Milan Cutkovic von AxiTrader sah in der aktuellen Marktentwicklung einen kleinen Rücksetzer nach dem starken Wochenauftakt. "Solange sich der Dax über der Marke von 12 500 Punkten halten kann, bleibt der kurzfristige Ausblick aus charttechnischer Sicht positiv", betonte der Experte. Zudem erscheine "ein ungeregelter Austritt (Grossbritanniens aus der EU) mit all seinen negativen wirtschaftlichen Konsequenzen" nun etwas weniger wahrscheinlich.

Nachdem das britische Parlament den straffen Zeitplan von Premierminister Boris Johnson für die Brexit-Beratungen abgelehnt hatte, legte dieser das gesamte Gesetzgebungsverfahren zum Austritt aus der Europäische Union (EU) auf Eis. Nun erwägen die übrigen EU-Staaten eine Fristverlängerung. EU-Ratschef Donald Tusk und EU-Parlamentspräsident David Sassoli plädierten für einen Aufschub bis Ende Januar 2020. Bundesaussenminister Heiko Maas verlangte allerdings vorher eine klare Ansage aus London. Frankreich zeigte sich zunächst nur offen für eine kurze Verschiebung.

Aus der Halbleiterbranche litten am Mittwoch vor allem die Aktien von Infineon und des Chipindustrie-Ausrüsters Aixtron dauerhaft unter einem schwachen Ausblick des US-Chipkonzerns Texas Instruments : Mit Verlusten von jeweils etwa zweieinhalb Prozent zählten sie zu den grössten Verlierern im Dax beziehungsweise im Nebenwerte-Index SDax . Dagegen verzeichnete der Apple -Zulieferer Dialog Semiconductor nur ein Minus von gut einem halben Prozent, und Papiere des Halbleiterwafer-Herstellers Siltronic drehten sogar mit rund einem Prozent ins Plus.

Carl Zeiss Meditec enttäuschte mit seinen endgültigen Gewinnkennziffern für das vergangene Geschäftsjahr. Daraufhin weiteten die jüngst noch rekordhohen Aktien ihre Verluste auf fast zwölf Prozent aus, was den letzten Platz im MDax bedeutete. Der Medizintechnik-Konzern verdiente im laufenden Geschäft wegen unerwartet hoher operativer Kosten im Schlussquartal doch nicht ganz so gut wie zunächst gedacht.

KWS Saat überzeugte hingegen mit den vorläufigen Resultaten für das vergangene Geschäftsjahr sowie mit dem Ausblick: Die Aktien eroberten dank eines Kursanstiegs um fast vier Prozent die SDax-Spitze. Der Saatguthersteller konnte dank guter Geschäfte mit Getreide- und Maissaat den Umsatz sowie die Gewinne steigern und will im neuen Jahr noch einen Zahn zulegen. Dank der starken Schlussspurts im Zuckerrübengeschäft als profitabelster Sparte habe KWS die operativen Ergebniserwartungen übertroffen, lobte Knud Hinkel vom Analysehaus Pareto Securities.

Ansonsten sorgten Analystenkommentare für Bewegung. Die Aktien des Kunststoffspezialisten Covestro gewannen nach einer Kaufempfehlung der Commerzbank 1,7 Prozent, was einen der vorderen Plätze im Dax bedeutete. Nach einem trägen ersten Halbjahr könnten die Verkaufszahlen in der zweiten Jahreshälfte und ins Jahr 2020 hinein wieder anziehen, schrieb Analyst Michael Schäfer. Das sollte sich auch gewinnseitig bemerkbar machen.

Beim Autozulieferer und Reifenhersteller Continental stand derweil einer Hochstufung durch Mainfirst eine Gewinnwarnung des finnischen Branchenkollegen Nokian Renkaat gegenüber. Mit einem knappen Plus reihten sich die Conti-Titel im Dax-Mittelfeld ein.

Die Anteilseigner von Gerresheimer konnten sich über einen Kursanstieg um fast dreieinhalb Prozent und einen der vorderen Plätze im MDax freuen, nachdem die US-Bank JPMorgan die Aktie hochgestuft hatte und sie nun "Neutral" sieht. Das insgesamt erwartungsgemäss verlaufene dritte Quartal des Spezialverpackungsherstellers liefere den Optimisten mehr Argumente als den Pessimisten, begründete Analyst David Adlington seine Neubewertung.

Die Umlaufrendite fiel von minus 0,38 Prozent am Vortag auf minus 0,41 Prozent. Am Anleihemarkt stieg der Rentenindex Rex um 0,13 Prozent auf 145,01 Punkte. Der Bund-Future gewann 0,07 Prozent auf 171,74 Punkte. Der Euro kostete zuletzt 1,1122 US-Dollar. Die Europäische Zentralbank hatte den Referenzkurs am Dienstag auf 1,1130 (Montag: 1,1173) Dollar festgesetzt und der Dollar hatte damit 0,8985 (0,8950) Euro gekostet./gl/jha/

--- Von Gerold Löhle, dpa-AFX ---