FRANKFURT (awp international) - Aktienanleger bleiben angesichts der erwarteten geldpolitischen Straffungen in den USA sehr nervös. So könnte die hohe Inflation die US-Notenbank zwingen, schneller und stärker zu agieren als erwartet. Problematisch könnte das irgendwann für höher verschuldete Unternehmen werden. Zudem zehrt der Druck durch höhere Kosten für Material und Löhne an den Gewinnmargen der Unternehmen.

Nach der jüngsten Stabilisierung gab es am Freitag für den Dax wieder kräftige Verluste, der deutsche Leitindex weitete sein Minus bis zum Nachmittag auf 2,18 Prozent aus. Mit aktuell 15 564,71 Punkten hat er in der Wochenbilanz fast zwei Prozent an Wert eingebüsst. Der MDax verlor am Freitag 2,05 Prozent auf 33 634,77 Zähler.

An den beiden Vortagen hatte sich der Dax zwar kurz etwas Luft verschafft. Die jüngste Entwicklung stimmt Börsianer aber wieder nachdenklich, was das Chartbild betrifft. Mit der 200-Tage-Linie wurde zum Wochenschluss eine wichtige Unterstützung unterschritten.

"Der Dax bleibt im Korrekturmodus", kommentierte am Morgen der Charttechnik-Experte Andreas Büchler von Index-Radar. Er sieht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Leitindex schon bald eine noch niedrigere Unterstützung testen könnte, die er bei 15 500 Punkten sieht. Dann aber würden die Chancen auf eine längere Bodenbildung langsam steigen, lautet seine These.

Ein schwacher Ausblick des US-Streaminganbieters Netflix setzte der Stimmung vor allem im Technologiesektor weiter zu. "Steigende Zinsen und dann noch niedrigere Wachstumserwartungen", kommentierte Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets. Seiner Ansicht nach könnte Netflix "symptomatisch sein für das, was dem Aktienmarkt in den kommenden Wochen und Monaten noch bevorsteht". Aus dem Tech-Sektor verloren die Infineon -Aktien am Freitag fast vier Prozent an Wert.

Noch viel düsterer sah es aber bei Siemens Energy mit einem Kurseinbruch von 14 Prozent aus. Unter der Last einer erneuten Gewinnwarnung der Windkraft-Tochter Siemens Gamesa wurden sie erstmals seit Ende 2020 wieder unter 20 Euro gehandelt. Oddo BHF stufte die Siemens Energy-Aktie ab. Die abermalige Gewinnwarnung von Gamesa sei nun eine zu viel.

Analyst Akash Gupta von JPMorgan bezeichnete den Windkraft-Anlagensektor wegen der Unsicherheiten als derzeit "nicht investierbar". Während die Aktien von Siemens Gamesa in Madrid um elf Prozent abrutschten, traf die Verkaufswelle auch die Papiere von Nordex schwer. Für das SDax -Unternehmen ging es um 7,7 Prozent bergab.

Zahlen gab es zu Wochenschluss vom SDax-Mitglied Secunet , die nach einer deutlichen Kurserholung vom Vortag aber nicht weiter halfen. Anleger machten im Abwärtssog der Tech-Werte schon wieder Kasse. Der Kurs sackte um mehr als fünf Prozent ab, obwohl der IT-Sicherheitsdienstleister für 2021 von einem Umsatzsprung berichtete.

Positive Ausnahmen in der Dax-Familie waren rar. Anders als zuletzt konnten auch klassische Industriewerte, in die Anleger eine Zeit lang vermehrt geflüchtet waren, den Leitindex nicht stützen. Auch die gewichtigen Titel der Autobauer Volkswagen , BMW und Daimler gerieten mit bis zu 2,5 Prozent unter Druck.

Die Titel des Konsumgüterkonzerns Beiersdorf waren nach einer Kaufempfehlung durch die britische Bank HSBC mit einem Anstieg um 0,1 Prozent eine positive Dax-Ausnahme. Ansonsten legten die Aktien der Deutschen Börse 0,6 Prozent zu. Hier gehen Anleger offenbar davon aus, dass die derzeitigen Schwankungen an den Finanzmärkten für das Alltagsgeschäft des Börsenbetreibers von Vorteil sind.

Der Euro machte seine Vortagesverluste grösstenteils wett. Die Gemeinschaftswährung kostete zuletzt 1,1345 US-Dollar. Die Europäische Zentralbank hatte den Referenzkurs am Vortag auf 1,1338 Dollar festgesetzt.

Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite von minus 0,16 Prozent am Vortag auf minus 0,19 Prozent. Der Rentenindex Rex stieg um 0,15 Prozent auf 143,52 Punkte. Der Bund-Future legte 0,25 Prozent auf 170,22 Zähler zu./tih/mis

--- Von Timo Hausdorf, dpa-AFX ---