Seit Mitte März haben viele Arbeitnehmer ihr Büro nur von außen gesehen.

Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie verfrachteten Firmen ihre Angestellten von einem Tag auf den anderen ins Homeoffice. Experten gehen davon aus, dass das Arbeiten von zu Hause aus auch nach der Krise en vogue bleiben wird. An dem jahrelang boomenden Markt für Büroimmobilien wird das deutliche Spuren hinterlassen, darüber sind sich Fachleute einig. "Wir gehen davon aus, dass Unternehmen künftig 20 bis 30 Prozent weniger Fläche benötigen werden", sagt Andreas Wende, Geschäftsführer der Immobilienberatungsgruppe NAI Apollo. Vor allem Büros an Stadträndern und in ländlichen Gebieten werden wohl künftig nicht mehr so gefragt sein.

Auch Anleger gehen bereits auf Abstand zu Gewerbeimmobilien-Spezialisten. So haben die Aktien von Aroundtown und DIC Asset seit Jahresbeginn rund 30 Prozent an Wert verloren. Die Titel der Aareal Bank, die auf die Finanzierung von Gewerbeimmobilien spezialisiert ist, sackten um 40 Prozent ab. Dagegen stehen Wohnungsimmobilienkonzerne hoch im Kurs. Die beiden im Dax notierten Aktien von Vonovia und Deutsche Wohnen legten im selben Zeitraum um mehr als ein Fünftel zu.

Die großen Auswirkungen am Markt für Gewerbeimmobilien wird man wohl erst in ein paar Jahren sehen. Viele Unternehmen hätten lang laufende Mietverträge und könnten im Moment nichts an ihrer Bürosituation ändern, beschreibt Wende die Situation. Aber künftig setzen die Unternehmen auf neue Modelle für mehr Flexibilität beim Arbeitsort. Unter dem Motto "Working Anywhere - arbeiten, wo es am produktivsten ist" bietet etwa Telefonica Deutschland seinen Mitarbeitern schon jetzt die Möglichkeit, zwischen Büro, Homeoffice oder einem anderen Ort zu wählen. "Es wird eine Mischung geben aus Homeoffice und Präsenz im Büro", ist sich Vonovia-Chef Rolf Buch sicher. "Wir werden nicht wieder in eine Situation kommen, in der jeder fünf Tage in der Woche im Büro arbeiten muss."

KEIN EIGENES BÜRO MEHR FÜR DEN CHEF

Immobilienexperte Ulrich Höller, Chef der ABG Real Estate Group, erwartet einen Boom bei Coworking-Räumen. "Die Arbeitwelt wird flexibler und mobiler werden. Auch Führungskräfte werden vielleicht keinen eigenen Schreitisch mehr haben." Firmen würden Büros in der Peripherie, den sogenannten B-Lagen, verringern. "Die Nachfrage nach repräsentativen Räumen in Stadtzentren wird dagegen hoch bleiben oder sogar noch größer werden." Durch die vermehrte Heimarbeit steige der Bedarf an Gemeinschaftsräumen für einen persönlichen Austausch im Büro.

In Frankfurt schlug die Corona-Krise im ersten Halbjahr voll ins Kontor. Die in dem Zeitraum vermietete Bürofläche lag laut NAI Apollo mit 116.100 Quadratmetern rund 50 Prozent unter dem zehnjährigen Mittel - es war das niedrigste Niveau seit zwei Jahrzehnten. "Der mehrwöchige Lockdown hat zu Beginn des zweiten Quartals für ein nahezu völliges Erliegen des Büromarktes gesorgt", sagt Stephan Bräuning, Manager beim Gewerbeimmobilien-Spezialisten Colliers. Auch neue Bauprojekte liegen auf Eis. "Die Zurückhaltung der Investoren ist spürbar", erläutert Oliver Schwebel von der Wirtschaftsförderung Frankfurt. "Seit Ausbruch der Pandemie sind die Planungen deutlich verlangsamt worden und es sind kaum noch nennenswerte Flächen neu dazugekommen."

"DER MENSCH IST EIN SOZIALES WESEN"

Bisher gab es in der Bankenmetropole jedes Jahr mehrere neue Projekte, denn die Nachfrage nach Büroräumen war hoch. In den kommenden Jahren werden zwei Duzend Hochhäuser fertiggestellt, alleine 2020 wird sich die Bürofläche auf 290.000 Quadratmeter mehr als verdoppeln. Leer standen Büros in deutschen Metropolen kaum noch, vor allem größere, zusammenhängende Arbeitsräume waren schwer zu finden. "Vor Corona war Flächenknappheit das Hauptthema des Büromarktes", sagt DZ-Bank-Volkswirt Thorsten Lange. Nun habe sich das Blatt gewendet. "Die niedrigen Leerstandsquoten dürften sichtbar zunehmen, während die teils hohen Büromieten wohl nachgeben."

Obwohl immer mehr Unternehmen wie die Allianz oder Siemens nach Corona das Homeoffice zum Standard machen und die Angestellten auch gar nicht mehr so gerne in überfüllten Zügen und vollen Autobahnen in die Innenstädte zum Arbeiten pendeln wollen, wird das Büro nicht zum Auslaufmodell mutieren, ist sich Lange sicher. "Der Mensch ist ein soziales Wesen, direkte Kommunikation und Teamarbeit führen auf Dauer zu besseren Ergebnissen als 100 Prozent Homeoffice."