Frankfut (Reuters) - Das Rätselraten um die künftigen Zinsschritte lähmt Europas Anleger.

Der Dax lag am Dienstag kaum verändert bei 15.352 Punkten; sein europäisches Pendant EuroStoxx50 notierte 0,2 Prozent fester bei 4215 Zählern. Licht ins dunkel könnte Börsianern zufolge US-Notenbank-Chef Jerome Powell bei einem Auftritt beim Economic Club of Washington im Tagesverlauf bringen. "Es darf spekuliert werden, ob Powell den starken US-Arbeitsmarktbericht vom Freitag zum Anlass nimmt, um Zinssenkungen in diesem Jahr eine noch klarere Absage zu erteilen", sagte Thomas Altmann, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter QC Partners.

Angesichts der abflauenden Inflation hatte die Fed nach einer Serie relativ großer Zinsschritte den Leitzins zuletzt nur noch um einen Viertel-Prozentpunkt erhöht. Allerdings hatte Powell vergangene Woche bekräftigt, dass fortlaufende Zinsanhebungen angemessen seien, um die Inflation zur Zielmarke von zwei Prozent zurückzubewegen. Überraschend starke US-Job-Daten heizten zuletzt die Zinserwartungen erneut an.

"VORLÄUFER DER REZESSION"

Auf die Stimmung drückten auch schwache Konjunkturzahlen. Die deutschen Unternehmen haben ihre Produktion am Ende des von Energiekrise, Materialengpässen und hohen Preisen geprägten Jahres überraschend stark gedrosselt. Industrie, Bau und Energieversorger stellten im Dezember zusammen 3,1 Prozent weniger her als im Vormonat, wie aus offiziellen Daten hervorging. "Es sind Ausläufer der vielbeschworenen Rezession", sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. Die schwache Industrieproduktion, anhaltende Zinssorgen und neue geopolitische Spannungen zwischen China und USA dämpften die Kauflaune, sagte Salah Bouhmidi, Experte beim Onlinebroker IG Europe.

An den Rohstoffmärkten trieb unterdessen die Furcht vor einem knapperen Angebot nach der Schließung eines wichtigen Exportterminals wegen des schweren Erdbebens in der Türkei den Ölpreis an. Rohöl der Nordsee-Sorte Brent und US-Leichtöl WTI verteuerten sich jeweils um mehr als zwei Prozent auf 82,66 Dollar beziehungsweise 75,78 Dollar pro Barrel. Preistreiber war auch die Aussicht auf eine anziehende Nachfrage in China. "Die Rohölpreise steigen aufgrund der Erwartung, dass Chinas Aufschwung anhält und aufgrund von Lieferausfällen nach dem Erdbeben in der Türkei", sagte Edward Moya, Analyst beim Brokerhaus Oanda.

Unterdessen ging es an der Istanbuler Börse weiter bergab. Der Index Bist-100 brach um sieben Prozent ein, nachdem er am Montag bereits fünf Prozent eingebüßt hatte. Wegen der hohen Kursverluste wurde der Handel zeitweise unterbrochen. Einen Tag nach den schweren Erdbeben an der türkisch-syrischen Grenze ist die Zahl der Toten auf über 5000 gestiegen. Nachbeben und das schlechte Wetter mit niedrigen Temperaturen und Regen behinderten die Rettungsarbeiten.

Bei den Einzelwerten geriet unterdessen der Energietechnik-Konzern Siemens Energy unter Druck. Die Titel gaben rund vier Prozent nach und waren damit größter Dax-Verlierer. Aktionären stieß vor allem eine geplante Kapitalmaßnahme von bis zu 1,5 Milliarden Euro sauer auf. Hintergrund ist der Erwerb sämtlicher Anteile der spanischen Windturbinen-Tochter Siemens Gamesa, deren Verluste Siemens Energy im ersten Quartal einen Nettoverlust von mehr als einer halben Milliarde Euro eingebrockt hat.

Dagegen jubelten die BP-Aktionäre über einen Rekordgewinn dank der nach oben geschossenen Energiepreise und eine höhere Dividende. Die Titel des britischen Energiekonzerns verteuerten sich in London um mehr als vier Prozent. "Die Ergebnisse sind wirklich großartig", sagte Neil Wilson, Analyst vom Online-Broker Markets.com.

Im freien Fall befanden sich die Titel von Europas größter Laborkette Synlab, die in der Spitze um 25 Prozent einbrachen. Anleger nahmen angesichts der düsteren Aussichten nach dem durch die Corona-Pandemie getriebenen Boom Reißaus. Dagegen stimmte das kräftige Wachstum zum Jahresende Teamviewer für das laufende Jahr optimistisch. Mit einem Plus von mehr als 16 Prozent ließ der Wert die übrigen MDax-Titel weit hinter sich. Neben der "soliden Prognose" treibe auch das am Montagabend angekündigte zweite Aktienrückkaufprogramm die Aktie des Spezialisten für Fernwartungssoftware, sagte ein Händler.

(Bericht von Stefanie Geiger, redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)