Der deutsche Leitindex kletterte am Dienstag um 0,4 Prozent auf bis zu 16.466 Punkte und kam damit in Sichtweite zu seinem bisherigen Rekord von Ende Juli. Sein europäisches Pendant, der EuroStoxx50, zog ähnlich stark bis auf 4434 Zähler an. "Spannend ist jetzt, ob und wann das noch parkende Geld die Geduld verliert und auf den aktuell nur noch langsam, aber doch weiter fahrenden Zug aufspringt", sagte Experte Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets. Kleine positive Impulse könnten dabei schon ausreichen.

Im Fokus der Investoren standen insbesondere die am Freitag anstehenden monatlichen US-Arbeitsmarktzahlen. "Sollten diese die Abkühlung aus dem Oktober bestätigen, könnte der Markt wieder einen Gang höher schalten und der Druck auf die Skeptiker der Rally zunehmen", konstatierte Molnar mit Blick auf Hoffnungen am Markt auf sinkende Zinsen im nächsten Jahr. Allerdings sei es schwieriger geworden, noch überzeugende Gründe für weitere Käufe auf diesem hohen Kursniveau finden zu können, sagte Jochen Stanzl, Analyst beim Broker CMC Markets. "Auch die Schwäche des Ölpreises bereitet Kopfzerbrechen, deutet er doch auch auf eine stärkere Abschwächung der Weltwirtschaft in den kommenden Monaten hin."

SINKENDER INFLATIONSDRUCK

Auf einen weiter abnehmenden Inflationsdruck deuteten die Preise der Hersteller im Euroraum hin, die im Oktober erneut deutlich gefallen sind. Die Produzentenpreise in der Industrie gingen um 9,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zurück, nach minus 12,4 Prozent im September. Noch Anfang des Jahres waren Steigerungsraten im zweistelligen Prozentbereich an der Tagesordnung. Die Verbraucher in der Euro-Zone haben einer EZB-Umfrage zufolge indes an ihren kurzfristigen Inflationserwartungen nicht gerüttelt.

Angesichts des "bemerkenswerten" Rückgangs der Inflation kann die Europäische Zentralbank laut EZB-Direktorin Isabel Schnabel die Tür für weitere Zinserhöhungen wohl vorerst geschlossen halten: "Die jüngsten Inflationszahlen machen eine weitere Zinserhöhung eher unwahrscheinlich", sagte sie in einem Reuters-Interview. "Der letzte Sargnagel für weitere Zinserhöhungen, auch wenn niemand damit gerechnet hat", konstatierte Ökonom Andrzej Szczepaniak vom Finanzhaus Nomura.

Die Aussicht auf sinkende Zinsen im kommenden Jahr ließ Anleger wieder verstärkt auch zu Staatsanleihen greifen. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen fiel im Gegenzug um bis zu sieben Basispunkte auf 2,28 Prozent und damit auf den niedrigsten Stand seit sechs Monaten. Der Euro gab um bis zu 0,3 Prozent auf 1,0802 Dollar nach.

ERICSSON IM HÖHENFLUG

Bei den Einzelwerten ließ der Zuschlag für die Modernisierung des Mobilfunknetzes von AT&T Ericsson-Anleger jubeln. Die Aktien des schwedischen Netzwerkausrüsters schossen in Stockholm in der Spitze um knapp zehn Prozent nach oben, nachdem der US-Telekomkonzern am Vortag den 14 Milliarden Dollar schweren Auftrag mit einer Laufzeit von fünf Jahren an Ericsson vergeben hatte. Lange Gesichter machten dagegen die Anleger beim leer ausgegangenen finnischen Konkurrenten Nokia, der seine Position als wichtigster Zulieferer von AT&T verliert. Die Nokia-Aktien gaben in Helsinki um bis zu zehn Prozent nach. "Dies ist ein bedeutender Schlag für Nokia in der besonders wichtigen Region Nordamerika", sagte Analyst Atte Riikola vom Analysehaus Inderes.

Dagegen belastete der Teilrückzug des langjährigen Barclays-Großaktionär Katar die britische Großbank. Die Titel gaben in London um bis zu 4,5 Prozent nach, nachdem der Investor in der Nacht zum Dienstag ein Barclays-Aktienpaket im Wert von 510 Millionen Pfund (595 Millionen Euro) auf den Markt geworfen hatte. Unter Druck gerieten auch die Papiere von Carl Zeiss Meditec, die rund drei Prozent einbüßten. Dem Medizintechnik-Konzern setzte einem Händler zufolge eine Analysten-Einschätzung zu. Die US-Bank JP Morgan nahm die Bewertung der Aktie mit der Empfehlung "Underweight" auf.

(Bericht von Stefanie Geiger, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)