- von Christian Krämer

Berlin (Reuters) - Zweieinhalb Stunden lang hat Ex-Wirecard-Chef Markus Braun den Abgeordneten in Berlin die kalte Schulter gezeigt.

Entgegen den Erwartungen verweigerte der Österreicher vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss fast jede Antwort auf konkrete Fragen. Der 51-Jährige, der laut Staatsanwaltschaft der Drahtzieher des milliardenschweren Bilanzskandals ist und in Untersuchungshaft sitzt, verlas am Donnerstag nur eine knappe Erklärung, die mit seinen Anwälten abgestimmt war. Vom Haken ist er damit aber wohl noch nicht. Grünen-Politiker Danyal Bayaz geht davon aus, dass Braun nächstes Jahr für weitere Befragungen nach Berlin geladen wird. Eine frühere Aufsichtsrätin erhob schwere Vorwürfe gegen den langjährigen Konzernchef.

Braun wollte eigentlich nur per Video aussagen, musste nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs aber persönlich im Bundestag erscheinen. Er kam in Begleitung von Polizisten ins Paul-Löbe-Haus - auf dem Weg und im Sitzungssaal aber ohne Handschellen. Das Parlament will aufklären, wie es zu der Insolvenz des ehemaligen Dax-Konzerns kommen konnte und welche politischen Kontakte Braun hatte.

Abgeordnete aller Parteien zeigten sich enttäuscht über seinen Auftritt. Braun habe sich "kaltschnäuzig" gezeigt, sagte Bayaz. Er sei respektlos und nicht bereit zur politischen Aufklärung. "Markus Braun hat sich nicht geändert", ergänzte Florian Toncar von der FDP. Er habe gezeigt, dass man ihm nicht vertrauen könne. Am Montag hätten seine Anwälte noch angeboten, zu politischen Kontakten auszusagen.

Braun kündigte an, vor der Münchner Staatsanwaltschaft aussagen zu wollen. Er habe Vertrauen in die Behörden. Sie sollten nun umfassend aufklären, vor allem was den Verbleib der veruntreuten Unternehmensgelder angehe. Auch bei seinem letzten Auftritt wenige Tage vor der Insolvenz des Konzerns im Juni hatte Braun Wirecard als Betrugsopfer dargestellt. Kurz danach wurde er verhaftet.

Inzwischen haben die Ermittler Hinweise darauf, dass Braun Mitarbeiter psychisch unter Druck gesetzt habe und einen "militärisch-kameradschaftlichen Korpsgeist" geschaffen haben solle. Ihm und anderen Vorständen, wie dem auf der Flucht befindlichen Jan Marsalek, werfen die Strafverfolger vor, die Bilanzen des Konzerns aufgebläht und Banken, Investoren und Kunden getäuscht zu haben. Insgesamt meldeten Gläubiger beim Insolvenzverwalter 12,5 Milliarden Euro Schaden an. Sie dürften nur einen Bruchteil davon je weitersehen.

"DIE HÄNDE ZITTERN"

In seinem fünfminütigen Eingangsstatement erklärte Braun, vonseiten der Politik und Aufsichtsbehörden kein Fehlverhalten erkennen zu können. Wirtschaftsprüfer und Aufsichtsräte seien "offenbar massiv getäuscht" worden - von wem, sagte Braun nicht. Unter anderem der Finanzaufsicht BaFin und den Wirtschaftsprüfern von Ernst & Young (EY) wird vorgeworfen, zu spät die Bilanzunregelmäßigkeiten bei Wirecard entdeckt zu haben.

Ein Sitzungsteilnehmer sagte zu Reuters, Braun sei in den Saal gekommen, habe kurz innegehalten, sich umgesehen und sei zu seinem vorgesehenen Platz geschritten. "Er ist höchst angespannt und macht in seiner Haltung einen wackeligen Eindruck." Ein anderer ergänzte, Braun wirke schwach. "Die Hände zittern. Er verweigert jedwede Aussage. Er klammert sich offenbar an die Empfehlung seines Anwalts." Braun bügelte sämtliche Fragen der Abgeordneten ab. "Ich werde mich nicht abweichend von meinem Statement äußern", sagte er immer wieder.

KONTROLLEN ALS BELASTUNG EMPFUNDEN

Der Wirtschaftsinformatiker war fast zwei Jahrzehnte lang Chef von Wirecard und war mit einem Anteil von rund sieben Prozent dessen größter Aktionär. Braun habe den Konzern "zu autonom" geführt und habe die Kontrolle des Unternehmens als eine Last empfunden, kritisierte die Unternehmensberaterin Tina Kleingarn, die von Juni 2016 bis Dezember 2017 im Aufsichtsrat von Wirecard saß. Sie verwies bei ihrer Befragung durch den Untersuchungsausschuss auf ein Schreiben an Ex-Aufsichtsratschef Wulf Matthias, das Reuters vorlag. Der Vorstand habe nicht für professionelle Strukturen gesorgt und sei große Risiken eingegangen. "Früher oder später werden sich diese Mängel rächen und eingegangene Risiken sich womöglich materialisieren", schrieb sie in dem Brief, in dem sie ihr vorzeitiges Ausscheiden begründete.