NEW YORK (awp international) - Ausgerechnet am "Black Friday" gibt es an der Wall Street auch kursmässig einen rabenschwarzen Freitag. Die Furcht vor einer neuen Coronavirus-Variante, die zuvor schon die Börsen in Asien und Europa schwer belastete, zog im Frühhandel auch bei US-Aktien eine Verkaufswelle nach sich. Der Dow Jones Industrial sackte gegen Ende der ersten Handelsstunde um 2,58 Prozent auf 34 880,78 Punkte ab. Am Tag nach "Thanksgiving" endet der Handel in New York drei Stunden früher als üblich.

Der marktbreite S&P 500 verlor ausserdem 1,99 Prozent auf 4607,95 Zähler. An der Nasdaq gerieten die Technologiewerte, unter denen manche von Anlegern als mögliche Profiteure einer verlängerten Corona-Krise angesehen werden, weniger stark unter Druck. Der Auswahlindex Nasdaq 100 konnte sich dem Abwärtsstrudel mit einem Abschlag von 1,29 Prozent auf 16 156,18 Punkte aber nicht entziehen.

Craig Erlam vom Broker Oanda beobachtete eine "Flucht in die Sicherheit angesichts der zunehmenden Angst vor Varianten". Fachleute befürchten, dass die im südlichen Afrika entdeckte Variante B.1.1.529 wegen ungewöhnlich vieler Mutationen nicht nur hoch ansteckend ist, sondern auch den Schutzschild der Impfstoffe leichter durchdringen könnte. Dies lässt die Lockdown-Sorgen der Anleger, die zuletzt schon wegen der erneuten Infektionswelle aufkamen, noch weiter hochkochen.

"Das Besorgniserregendste an dem neuen Stamm ist derzeit, wie wenig wir über ihn wissen", fuhr Erlam fort. Die Nachrichtenagentur PA zitierte einen Experten der britischen Behörde für Sicherheit im Gesundheitswesen mit der Einschätzung, bei B.1.1.529 handele es sich um "die schlimmste Variante", die bisher gesehen wurde. Bislang gibt es ausserhalb des südlichen Afrika nur wenig bestätigte Fälle, unter anderem einen Fall in Belgien.

Nach den von Grossbritannien und Israel verhängten Einreisebeschränkungen für Personen aus dem südlichen Afrika kündigten andere Länder ähnliche Massnahmen an. Für die ganze Reisebranche ist dies ein erneut schwerer Schlag, der auch an der Börse zu spüren war: Von Fluggesellschaften über Kreuzfahrtanbietern bis hin zu Reiseportalen gab es einen Kurseinbruch: Die Aktien von United Airlines , Carnival und Booking Holdings verloren zwischen 8,7 und 11,3 Prozent. Der Flugzeugbauer Boeing war mit minus 7,5 Prozent einer der grössten Dow-Verlierer.

Unter den Fahrdienstvermittlern ging es aus Sorge vor nachlassender Reiseaktivität auch steil bergab, wie Verluste von 7,9 respektive 5,9 Prozent bei Lyft und Uber zeigten. Die Branche stand auch mit Spekulationen um einen möglichen Rückzug des Konkurrenten Didi von der New Yorker Börse im Mittelpunkt. Dessen in New York gelisteten Anteilscheine fielen mit 6,7 Prozent in einem ähnlichem Grössenrahmen wie jene der beiden Wettbewerber.

Die Verunsicherung wegen der Corona-Ängste waren auch am Ölmarkt spürbar, wie einbrechende Ölpreise zeigen. Die Aktien der Branchenriesen Chevron , ExxonMobil und ConocoPhillips sackten im Sog dessen zwischen 3,8 und 7,0 Prozent ab. Während der ersten Corona-Welle im Frühjahr 2020 waren die Ölpreise wegen der Schliessung vieler Bereiche des Wirtschaftslebens auch schon drastisch abgestürzt.

Es gab aber auch Gewinner der aktuellen Entwicklung - und dazu zählten einige der bekannten "Stay-at-home-Aktien", die schon bei vorherigen Lockdowns begehrt waren, in den vergangenen Monaten aber während der entspannteren Infektionslage bei Anlegern einen schweren Stand hatten. Allen voran zogen die Papiere des Videokonferenz-Anbieters Zoom um 7,8 Prozent an. Die Titel des Fitness-Spezialisten Peloton erholten sich um 4,4 Prozent und die Anteile des Streaminganbieters Netflix legten immerhin um 0,7 Prozent zu.

Weitere Profiteure der neuen Situation waren Impfstoff-Hersteller: Die in New York gelisteten Biontech -Anteile schossen um 18,5 Prozent hoch, während die Pfizer -Titel um 6,9 Prozent zulegten. Während die weltweiten "Booster"-Impfungen die Nachfrage des Vakzins ohnehin schon hoch halten, stützten auch hier die erneuerten Ängste der Anleger. Hinzu kommt, dass der Impfstoff in Europa die Zulassung für Kinder ab fünf Jahren bekommen hat.

Während die Papiere des Biontech-Wettbewerbers Moderna sogar um 23 Prozent anzogen, gab es im Impfstoff-Universum auch einen Ausreisser mit negativen Nachrichten. Die Aktien des Gentherapiespezialisten Ocugen büssten 5,4 Prozent ein, nachdem die US-Arzneimittelbehörde FDA einen so genannten "clinical hold" für die Tests des mit dem indischen Partner Bharat Biotech entwickelten Covid-Impfstoffkandidaten Covaxin verfügt hatte. Diesen Schritt vollzieht die FDA unter anderem, wenn sie eine Gefährdung von Probanden sieht. Ocugen muss nun auf weitere Informationen der FDA warten./tih/he